Fesseln des Schicksals (German Edition)
drehte ihrer Kleinen das Gesicht zu und murmelte mit ihrem letzten Atemzug: «Frei …»
Dann sank ihr Körper in sich zusammen.
***
Katherine beugte sich über den leblosen Körper ihrer Freundin und weinte bitterlich. «Oh Gott, vergib mir! Vergib mir, liebste Freundin, dass ich so selbstsüchtig war!»
Doktor Steward, der sich im Hintergrund gehalten hatte, trat nun näher und schloss Molly die Augen. Dann nahm er Katherine sanft bei den Schultern und löste sie von der Toten.
Er sah besorgt aus. «Mrs. Parrish, Sie müssen sich beruhigen. Denken Sie an Ihr Kind.»
Kaum hatte der Doktor den Satz beendet, als Katherines Bauch von einer Kontraktion geschüttelt wurde und eine warme Flüssigkeit ihr Nachthemd durchnässte. Die Fruchtblase war geplatzt. Noch in dieser Nacht würde das Kind geboren werden.
Der Arzt griff erneut nach seiner Tasche und winkte den Aufseher und den Sklaven heran.
«Schnell! Mrs. Parrish muss sofort in ihr Zimmer gebracht werden.»
Viel zu erschöpft, um sich zu weigern, stützte Katherine sich auf die Schultern der Helfer.
Als man sie gerade aus dem Zimmer führte, vernahm sie, wie Olivia den Arzt um Anweisungen bat, was mit Mollys Kind geschehen solle.
Doktor Steward warf nur einen schnellen Blick auf das Neugeborene, aber in diesem kurzen Moment verriet sein Gesichtsausdruck all die Verachtung und Abneigung, die er gegen dieses unschuldige Wesen hegte.
«Bring sie zum Sklavendorf. Später wird man entscheiden, was aus ihr werden soll.»
Katherine nahm den Befehl des Arztes nur wie ein entferntes Echo wahr. Sie hatte nicht mehr die Kraft zu denken, wollte nur noch, dass diese lange, schreckliche Nacht vorüberginge. Aber die Verachtung, mit der jener Mann über Mollys Tochter sprach, drang durch den Schleier aus Schmerzen bis in ihr Innerstes. Und sie begriff, was geschehen würde. Die Kleine würde kein glückliches Leben führen. Zu schwarz, um weiß zu sein, und zu weiß, um eine von den Sklaven zu sein. Mollys Tochter würde kein leichteres Schicksal haben als ihre Mutter.
Getrieben von einer heftigen Wut, befreite Katherine sich gewaltsam von den Männern, die sie stützten. Und noch bevor diese begriffen, was geschah, riss Katherine Owen die Pistole aus dem Gürtel und zielte auf seinen Kopf.
«Olivia, gib mir das Kind», befahl sie.
Wie gelähmt blieb die Sklavin stehen.
«Gib es mir!», schrie Katherine.
Olivia blickte verwirrt zum Aufseher. Langsam hob Owen die Hände und gab der Sklavin einen Wink.
Unsicheren Schritts ging Olivia zu ihrer Herrin und streckte ihr das Neugeborene entgegen, das daraufhin zu weinen begann.
«Sie bleibt bei mir», erklärte Katherine mit eisiger Stimme, als sie sich das Bündel an die Brust drückte.
Das Schreien wurde eindringlicher.
«Mrs. Parrish, beruhigen Sie sich», mischte sich Doktor Steward ein und trat einen Schritt vor. «Dem Kind wird es gutgehen. Verstehen Sie doch, hier ist nicht sein Platz. Sie müssen …»
Katherine drehte sich um und richtete die Waffe auf den Arzt. «Kommen Sie nicht näher», warnte sie und presste die Kleine noch fester an ihren Körper. «Und sparen Sie sich die Mühe, mit leeren Worten zu leugnen, was Ihre Augen ohnehin nicht verbergen können.»
Der Doktor blieb stehen.
«Mrs. Parrish, bitte! Sie wissen nicht, was Sie da reden. Erlauben Sie uns, Ihnen zu helfen.»
«Auf diese Hilfe kann ich verzichten!», rief Katherine rasend vor Zorn. «Raus hier!»
Latoya, Olivia und Thomas verließen sofort das Zimmer. Ihre Herrin hatte den Verstand verloren. Nana Lo folgte ohne Eile. Bevor sie die Schwelle erreichte, hielt die alte Hebamme inne und suchte die Augen ihrer Herrin. Beide wussten, dass dieses Mädchen nicht lange im Herrenhaus bleiben konnte.
Doch Katherine hielt dem Blick der Sklavin stand. «Raus, habe ich gesagt», wiederholte sie zornig. «Alle!»
Nana Lo schüttelte traurig den Kopf und ging.
Der Doktor und der Aufseher dagegen rührten sich nicht. Owen Graham war schon im Alter von zwanzig Jahren Aufseher der Parrishs geworden, und in den elf Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte er niemals gewagt, einen Befehl seiner Herren in Frage zu stellen. Wie er einen aufsässigen Schwarzen behandeln musste, wusste er genau, aber das hier war anders. Er war der Lage einfach nicht gewachsen. Fragend sah er zum Doktor hinüber und hoffte auf Anweisungen.
«Ich kann Sie nicht allein lassen», beharrte der Doktor, ohne die Ruhe zu verlieren. «Ihr Kind kann jeden Augenblick
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