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Fest der Fliegen

Fest der Fliegen

Titel: Fest der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Heidenreich
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Swoboda hatte Mühe, den Mörder von Edinburgh wiederzuerkennen, doch als dessen gerötetes Gesicht das gleiche Entsetzen ausdrückte wie damals im Eingang der Tartan Weaving Mill & Exhibition , kehrte auch die Empfindung von damals zurück. Swoboda fasste Zuneigung zu diesem Caravaggio-Gesicht, er wollte die Gefahr nicht sehen und sagte wie damals in Edinburgh: »Bleib stehen. Please!« Als Domingo diese Worte hörte, zuckte seine Hand mit einem Erinnerungsreflex nach rechts. Doch diesmal waren da keine Schwerter und keine Dolche, er griff in die Luft. Seine Hand blieb leer, und er ahnte, dass es für ihn keinen Ausweg mehr gab. Nicht des anderen Mannes wegen, dem er sich körperlich überlegen fühlte. Sondern weil es bereits so entschieden worden war. Dennoch gab er sich nicht auf und handelte als Legionär der Muttergottes. Er stürzte nach vorn, packte Swoboda am Hals, zog ihn an
    sich und stieß ihn nieder. Er sah ihn rückwärtstaumeln,
sah, dass der schwere Mann sich nicht fangen konnte und
mit dem Kopf auf den Boden schlug. Er warf sich auf ihn,
krallte die Finger hinter den Ohren fest und drückte die
Daumen in Swobodas Augen.
Es war der Schmerz, der ihn lähmte, dieser Schmerz, der
aus den Augenhöhlen tief in den Schädel hineinwuchs.
Swoboda versuchte, sich zu entwinden, sich hin und her
zu werfen. Aber der Kraft des Jüngeren und seiner Entschlossenheit, seinen Verfolger blind zu machen, hatte er
nichts entgegenzusetzen. Er spürte, dass sein Wille sich zu
fügen begann, so als ob die Niederlage die Befreiung von
dem unerträglichen Schmerz bringen könnte.
Plötzlich ließ Domingo von ihm ab. Er schrie auf, warf
sich zur Seite, schrie wieder und wurde, als er sich aufrichtete, von einem Handkantenschlag am Hals getroffen.
Seine Knie sackten weg.
»Chef? Hören Sie mich? Chef!«
Törrings Stimme. Törrings Hände ergriffen seine Hände.
»Können Sie aufstehen? Sind Sie verletzt? Hören Sie mich,
Chef?«
»Ja, Turbo«, sagte Swoboda, »sehen kann ich dich nicht,
aber ich höre dich. Ich muss eine ziemliche Beule am
Hinterkopf haben. Was treibst du hier überhaupt? Hab’ ich
nicht gesagt, ich wollte allein sein?«
»Deshalb bin ich ja hier.«
Swoboda setzte sich auf und legte seine Hand auf den
Hinterkopf. »Sehr logisch. Du spionierst mir hinterher.«
»So ungefähr. Nur zu spät.«
»Fast.« Swoboda rieb Daumen und Zeigefinger und fühlte
    die Glätte von Blut. »Du könntest mein Sohn sein und tust, als wärst du mein Vater.« Törring sah auf Domingo hinunter. »Was wollte er, Geld, Kreditkarten, die Uhr?« Swoboda nahm Törrings Hand und stand langsam auf. Er hielt seinen Kopf erhoben, so wie es die Blinden tun. »Mein Leben. Du denkst, das ist ein kleiner Ganove. Du hast den Mörder von Edinburgh zur Strecke gebracht, Turbo. Das wird ein stolzer Pluspunkt in deiner Akte. Du bist ein Held.« Törring starrte Domingo an, der sich zu bewegen begann. »Der?« »Mach ihn lieber fest, bevor er dir auch noch an die Augen geht.« Mit einem raschen Griff zog Törring Domingos Jacke so weit nach hinten über die Schultern zurück, dass die Arme sich nicht mehr frei bewegen konnten. Swoboda richtete sein Gesicht zum Himmel und sagte: »Viele bunte Sterne heute Nacht.« Törring hörte es nicht, er hatte die Notrufnummer gewählt und versuchte, einer Polizistin auf Englisch zu erklären, was geschehen war. Domingo blieb liegen. Sein Bewusstsein war wieder erwacht und es sagte ihm, dass der Weg zu Ende war. Maria hatte ihn verlassen. Der Erzengel Michael hatte ihn aus dem Heer des Lichts ausgestoßen. Er würde nie mehr in die Engelslegion zurückkehren können. Vincent Menendez wurde in das Polizeigefängnis von Kavalla eingeliefert und erkennungsdienstlich behandelt. In seinen Taschen fand sich außer einer größeren Geldsumme nichts. Die diensthabenden Beamten erklärten, am nächsten Morgen werde man Police Major Kostas Seitanides informieren. Vorerst gebe es nur den Verdacht auf unbewaffneten Raubüberfall. Törring brachte seinen einstigen Chef ins Hotel, drängte ihm eine Schmerztablette auf und wollte einen Arzt rufen. Swoboda verbat sich weitere Bemutterung. Er legte sich ein mit kaltem Wasser getränktes und zwei Mal längs gefaltetes Handtuch um den Hinterkopf, streckte sich angezogen auf dem Bett aus, zog die Decke über sich und klappte die nassen kalten Handtuchenden über sein Gesicht. Als der Schmerz hinter den Augen und unter der Schädeldecke langsam nachließ, schlief er ein. Irgendwann in

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