Fest der Fliegen
war durchdringend wie ihre überkippende Stimme. Erst auf den zweiten Blick erkannte der Kriminalrat die Besitzerin des Hotels Korn und bat sie in sein Zimmer, bot ihr einen Stuhl an und fragte, womit er ihr behilflich sein könne. »Martina ist weg. Verschwunden. Und die Tür ist aufgebrochen, es muss Polizei kommen!« »Welche Tür ist aufgebrochen worden, Frau Matt?« »Martina ist verschwunden!« »Ich lasse Ihnen einen Kaffee bringen, und dann erzählen Sie mir in aller Ruhe, ja? Martina ist vielleicht nur für ein paar Tage weggefahren.«
Ilse Matt stand auf und lief ziellos in seinem Büro umher. »Sie ist nicht gefahren. Sie fährt nicht, ohne dass sie was sagt! Und die Galerie ist aufgebrochen, die Bilder sind alle kaputt!« Dem grundordentlichen Jürgen Klantzammer waren solche Auftritte zuwider, und im Normalfall entschied er sich dafür, das Chaos, das in Personen wie Ilse Matt herrschte, nach Möglichkeit von sich fernzuhalten. Hier lag der Fall anders. Sollte Ilse Matt nicht im Trinkerwahn gesprochen haben, sollte ihre Behauptung über Swobodas Bilder auch nur zum Teil wahr sein, dann wollte er die Überprüfung niemandem anderen anvertrauen. Er hatte schließlich vor Jahren selbst dafür gesorgt, dass Alexander Swoboda sein Atelier in der Prannburg einrichten konnte – nicht nur, um seinem Mitarbeiter eine Freude zu machen: Der Kriminalrat hielt den Hauptkommissar für einen bedeutenden Künstler, der nur deswegen nicht in den entsprechenden Kreisen bekannt war, weil er sein Leben einem bürgerlichen Beruf verschrieben hatte, noch dazu einem, der unter den Kulturschaffenden oft als Feindbild galt. Er nahm seinen Mantel aus dem Wandschrank, bat Ilse Matt, ihn zur Galerie zu begleiten, und lief neben ihr den Burgweg hinunter zur Salzstraße, der sie bis zum Schillerplatz folgten. Von da an begann Ilse Matt, die Hauptstraße hinunter zum Neldaplatz zu rennen, so gut sie es mit ihren geschwollenen Beinen konnte. Klantzammer hielt Schritt.
Heilige Muttergottes, confiteor . Ich habe Dir Dein Silberherz genommen, ich habe es aus dem Schrein in der Kirche gestohlen, weil ich weiß: Nur dieses, von sieben Schmerzensschwer tern getroffene Herz kann Martina überzeugen, ihrer heiligen Namensgeberin ebenbürtig zu werden. Macht es Dich nicht froh, wenn eine Frau, wie du es einst warst, gemahnt wird an die Heiligkeit ihres Namens? O Du meine Himmelskönigin, mein Herz zittert, ich sehe, dass der böse Feind sich bis in meine Nähe vorangearbeitet hat. Ich kämpfe nicht gegen die Angst, denn Angst muss ich nicht haben, weil Deine gütigen Hände über mich wachen! In Deinem heiligen Schoß bin ich geborgen, wo meine ganze Seligkeit liegt. Aber sage mir: Warum erfährt die Welt nicht, was wir von ihr verlangen? Was ist geschehen? Hat niemand von unserem Glaubens-manifest Kenntnis genommen? Haben sie so viel Angst vor der Wahrheit, dass sie sie verschweigen? Hast Du verhindert, dass sie es lesen? Willst Du, dass wir so wie bisher die grenzenlose Liebe zu Dir als Geheimnis bewahren? Ich warte so sehnlich auf die Einsicht der Regierungen, damit sie umkehren auf dem verderblichen Weg, denn ich will, dass Dein Sieg, immerwährende Jungfrau, vor aller Augen sichtbar wird! Was soll ich tun, um den Satan von Deiner Engelslegion und Deiner Inquisition fernzuhalten! Wann endlich wirst Du mir erscheinen, mir allein? Du hast dich schon so oft anderen Menschen gezeigt, und keiner hat mehr für Dich getan als ich, keiner! Zeige Dich, Mutter! Ich sehne mich so nach Dir. Senke Deine himmlische Liebe in Martinas Herz, damit sie sich schmücken lässt als Deine gehorsame Tochter. Du weißt: Ich muss sie sonst auf dem Altar Deines Herzens opfern. Hilf auch Du mir, heilige Martina, dass Deine Namensschwester ergriffen wird vom wahren Glauben. Dass sie die Gnade erkennt, zur Engelslegion zu gehören, denn nur so kann sie bewahrt werden vor dem Bösen, das ihr nah ist. Jungfrau! Sprich zu mir! Kann ich den Satansdiener Swoboda nur vernichten, indem ich ihm das Liebste nehme? Ist es das, was Du verlangst? Wenn dies Dein Befehl ist, so gebe ich Martina in Deine Hände, und dann mag mit ihr geschehen, was immer Dein unerforschlicher Wille beschließt. Ich flehe Dich an, Heiligste aller Heiligen, gewähre mir Deine Stärke, um Luzifers Diener Swoboda aufzuhalten. Er treibt Deine Kämpfer in den Tod. Er bedroht mein Lebenswerk, das ich für Dich geschaffen habe. Heiliger Michael, lasse Dein Schwert niederfahren auf die Häscher, die uns
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