Fest der Fliegen
Der das Silberherz hielt, trat einen Schritt auf sie zu, hielt das Herz vor ihr Gesicht und sagte: »Sprich mir nach: Maria, dir schenke ich mein Herz und meine Seele!« Martina schwieg. Vom Ende des Raums hörte sie leise: »Maria, tibi cor et animam meam dono.« »Sprich mir nach: Meine Mutter, du bist mein Vertrauen!« Da sie schwieg, sagte der Schattenmann: »Mater mea, fiducia mea.« »Sprich mir nach: Bitte für uns, heilige Gottesmutter, auf dass wir würdig werden der Verheißung Christi!« Sie wartete, und der Dunkle sagte: »Ora pro nobis, sancta dei Genetrix, ut digni efficiamur promissionibus Christi. Amen.« Der Herzträger verließ das Zimmer. Sie hörte seine Schritte auf der Treppe. Er war schwerer als der, der das Wasser geholt hatte. Dann löste sich der dritte aus dem Dunkel am Ende des Bibliothek, der die Litanei lateinisch wiederholt hatte, senkte den Kopf, ging stumm an ihr vorüber und raunte dem, der offenbar bei ihr bleiben musste, zu: »Sie ist dir überlassen. Bewahre sie.« An der englischen Melodie des Wortes überlassen erkannte sie die Stimme und rief, bevor der Mönch noch die Tür zur Treppe erreicht hatte: »Burton! Sie sind Burton! Helfen Sie mir!« Die Sätze waren ausgesprochen, und Martina erkannte ihren Fehler. Burton drehte sich um. Er hob den rechten Arm und streifte sich langsam die Kapuze vom Kopf. Seine roten Locken fingen das wenige Licht im Raum ein. Er kam zurück, umkreiste den Sessel und stellte sich vor Martina hin. Er hob die rechte Hand, streckte Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger dicht nebeneinander, klappte Ringfinger und kleinen Finger nach unten, und mit dieser Geste segnete er sie. »Ich bin nicht Leicester Burton. Ich bin der Großabt Petrus Venerandus. Auch Sie werden es noch verstehen, Martina, Schwester einer Heiligen! Wir leben für die Vernichtung der höllischen Mächte durch die Jungfrau, die ein Mensch war, aber durch ihre unbefleckte Empfängnis nichts mit der Hölle gemein hatte. Maria semper immaculata! Sie ist das Bollwerk gegen die satanischen Legionen, die sich die Welt untertan machen! Wo Luzifer sagte: Non serviam – Ich diene Gott nicht! , rufen wir: Dulce cor Mariae . Esto salus mea! O süßes Herz Mariae, rette meine Seele. Gott hat Maria an seine Seite genommen, Martina! Warum verstummt ihr Name gerade in unserer Zeit in so vielen Mündern und so vielen Herzen? Ich sage es dir. Weil der Pesthauch des Satans über uns gekommen ist, eingedrungen in die Häuser, in die Gehirne, in die Seelen. Ich sende dir jetzt den Inquisitor der Engelslegion. Entscheide dich. Er kann dir noch einmal einen langen Schlaf bereiten, in dem du bereit wirst für die Gottesmutter. Oder er kann dir sofort den Scheiterhaufen bereiten. Und glaube mir: Das innere Feuer ist schlimmer als die Flammen der Gerichtsbarkeit.« Er verneigte sich tief. Zugleich betete er stumm um das Wunder. Mit dem Beistand der Gottesmutter sollte es jetzt geschehen: Wenn Martina sich wandelte wie Saulus zu Paulus, hätte er sich oder jemand anderem hundert Wochen Fegefeuer ersparen können …
Sie war nicht bereit, ihm zu diesem Ablass zu verhelfen. »Sie sind nicht bei Trost, Burton.« Sie versuchte, wacher zu wirken, als sie war. »Ziehen Sie Ihr Kostüm aus und hören Sie auf mit dem Theater!« »Schade, du verschleuderst das Heil deiner Seele,«, antwortete der Großabt, »ich hätte dich lieber an meiner Seite gesehen, kämpfend in der Armee des heiligen Michael. Aber ich bin sicher, dass du auch in den Flammen deiner Sünden noch eine Schönheit sein wirst.«
Klantzammer stand vornübergebeugt, stützte sich mit den Armen auf den Tisch und redete auf Xaver Sinzinger ein. »Ich sage Ihnen, wie es war. Sie haben mit Frau Matt die Flasche Prosecco getrunken, Sie wollten sie überzeugen, das Bild Ihres Vaters zu entfernen. Sie weigerte sich, und Sie wurden wütend. Sie konnten nicht mehr klar denken. Es ging um die Ehre ihrer Familie. Sie haben Gewalt angewendet. Sie haben Frau Matt in die Brauerei verschleppt. Auf dem Weg dorthin hat sie die Schlüssel verloren oder absichtlich weggeworfen. Als Ihnen später klar wurde, dass Sie Ihre Spuren in der Galerie verwischen mussten, gingen Sie zurück, fanden aber den Schlüssel nicht, holten ein Werkzeug aus der Werkstatt der Brauerei und brachen ein, zerstörten in ihrer Wut die Bilder, beseitigten die Gläser und die Flasche, die wir gegenüber im Abfallcontainer vom Baustoffhandel Ehrlicher gefunden haben. Mit Ihren Fingerabdrücken. Und
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