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Fest der Fliegen

Fest der Fliegen

Titel: Fest der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Heidenreich
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sich, beschattet von Carafa, auf dem Weg nach Thassos befand, um den griechischen Zeugen zu töten. Das konnte nur bedeuten, dass der Maler den Vollstrecker von Edinburgh kannte, ihn irgendwo gesehen haben musste … Mitten in seine stummen Fragen hörte Burton, wie Swoboda am anderen Ende der Galerie in einem Kreis von Bewunderern fröhlich verkündete: »Die Gouachen und die Pastellskizzen von unserer schönen Gegend über der Mahr verdankt ihr nicht nur mir, auch Martina! Sie hat mir wunderbare Farbkästen in Edinburgh gekauft!« Der Ire zwang sich, still zu stehen. Er konnte sich von Domingos Porträt nicht lösen und erkannte jetzt, dass es wahrscheinlich den Augenblick nach der Tat darstellte. Domingos Augen waren voller Panik, so, wie er selbst sie während des Exorzismus gesehen hatte. War Domingo von Martina fotografiert worden? War Swoboda mit ihr in Edinburgh gewesen und hatte Domingo gesehen? Hatte er den Mord beobachtet? War Swoboda in der Camera Obscura, als Domingo den Pfarrer Mawhiney seinem inneren Scheiterhaufen übergab? War er der Verfolger, von dem Domingo erzählt hatte? Wie viel wusste der Maler Alexander Swoboda? Es konnte doch nicht alles nur Zufall sein … Burton begann in seinem weißen Dinnerjacket zu schwitzen. Er ging zum Buffet und nahm sich ein Glas Wasser. Sein Kopf arbeitete fieberhaft und schien dabei leer zu werden. Sein Körper musste lässig bleiben, unauffällig in seinen Bewegungen. Burton wusste, dass er jetzt Contenance zeigen sollte, ein Gentleman sein. Er zwang sich, die Situation durchzuhalten, obwohl alles in ihm nach Flucht schrie. Stumm betete er zu Maria um Beistand und göttlichen Rat. Er trank das Glas aus, atmete tief ein, streckte seinen Rücken und ging zu Martina, die ihr Interview beendet hatte. »Dieses Riesenchamäleon, das würde ich wirklich gern kaufen. Faszinierend! Wahrscheinlich unbezahlbar.«
    »Unverkäuflich«, sagte sie leise, während Swoboda und Lecouteux hinzukamen. Der Maler machte den Franzosen, den er als Freund aus Straßburg vorstellte, mit dem Iren bekannt. Sie tauschten ein paar höfliche deutsche Sätze aus. »Sie sprechen ausgezeichnet Deutsch!«, sagte der Commissaire und Burton gab das Kompliment zurück. »Wie Sie! Es ist nicht meine Muttersprache, aber die Sprache meiner Mutter.« »Exakt wie bei mir!« Lecouteux lachte breit. »Darauf stoßen wir an!« »Auf die Mutter!« Burton sagte das so ernst, dass der Franzose nicht wusste, wie es gemeint war. Er entschied sich für eine ironische Deutung. »Ja, wir profitieren von ihrer Sprache und leiden an ihrem Anspruch!« »Wir sind Fleisch von ihrem Fleisch.« Burton hatte sich wieder ganz in der Gewalt. Freundlich wandte er sich an Swoboda. »Frau Matt sagt, das große Chamäleon ist unverkäuflich. Sagt das nur die Galeristin oder ist das auch die Ansicht des Künstlers?« Swoboda blickte verwundert zu Martina und stimmte schnell zu. »Ja. Das gebe ich nicht her, nicht mal für zehntausend.« Burton wackelte mit dem Kopf und versuchte, lustig zu sein. »Und für zwanzigtausend?« Lecouteux lachte, Swoboda lachte, Martina hob die Augenbrauen. »Ganz im Ernst«, sagte Burton. »Ich kann es mir gut vorstellen in dem unteren großen Raum der Mühle an der Mühr. Ich habe mir das Anwesen heute Vormittag angesehen. Es wäre für die Zwecke der Stiftung hervorragend geeignet, wirklich. Ach! Ich wollte Ihnen ja die Schlüssel heute zurückgeben, Frau Matt! Und nun habe ich sie vergessen. Morgen? Reicht das?« Martina sah, dass Swoboda irritiert war, und nahm seine Hand. »Kein Problem. Wir haben ja noch nichts entschieden.«
    Michaela Bossi hatte sich, Glas und Teller in den Händen, möglichst unauffällig und schweigend durch die Galerie bewegt, die Kollegen vom Kommissariat mit kleinem Lächeln gegrüßt und beobachtet, wie die Betrachter der Porträts reagierten. Von Swoboda wusste sie, dass es sich bei dieser Reihe von Köpfen, die alle im selben Format ausgeführt waren, um Täter handelte, unter denen sich die Rosenkranzmörder von Edinburgh und Valmont befanden. Sie schnappte beim Gang zwischen den Besuchergruppen ein paar bewundernde Sätze über Swobodas Kunst auf, auch Häme hinter vorgehaltener Hand, Abscheu vor den Gesichtern, Formulierungen, die Kennerschaft belegen sollten. Der Kritiker Busso Maier schlenderte stumm von Bild zu Bild, gebeugt, die Hände auf dem Rücken, mit gequälter Miene. Frau Bossi blieb in der Nähe der Tätergesichter. Zwar hätte sie lieber die Stillleben

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