Festung Zehn
beharrlich und unerbittlich weiter, bis er streng und scheinbar erschöpft vor meinen gepanzerten Toren stand und über sie die Stirn runzelte. Die Mittagssonne eines strahlenden Sonnentages schimmerte auf seinem verhüllten Gesicht.
Ich ließ ihn nach und nach durch meine Tore, wenn mein Waffenbericht und die Entgifter anzeigten, daß er sauber war, und ich sah, daß sein Herz bloßgelegt war, ebenso wie das Getriebe, das die Atembeutel aktivierte. Es gab Fleischfetzen und eingerissenes Metall auf der Hälfte seiner oberen Hülle. Es war, als ob eine riesige Klaue in einem zufälligen schnellen Gefecht ihm die Brust aufgeschlitzt hätte, dachte ich. Oder es erinnerte mehr daran, dachte ich, wie ein Verrückter vorgehen würde und sich nach einer langen Zeit der Enttäuschung selbst aufschlitzen würde.
»Sie sind verletzt!« sagte ich impulsiv, ein seltsames Mitgefühl jagte durch mich, als ich in seine verrosteten klagenden Augen starrte.
»NEIN!« sagte er und legte die kleine Staffelei, die er trug, auf den Boden, »nicht in der Art, wie Sie glauben, daß ich verletzt wäre. Das Herz arbeitet immer noch gut, und daß die Bedeckung über dem Getriebe der Brust abgegangen ist, verlangsamt es um keinen Deut. Aber ich bin verletzt, schwer verwundet, werde täglich getötet von den langen unbelohnten Jahren des Suchens ohne zu finden.« Er ließ seinen Kopf nach vorne fallen, und seine Schultern waren gebeugt, und ich wußte genug über Lasten, um zu wissen, daß er eine trug. »Jeder von uns sucht nach seiner persönlichen Sicht des Traumes«, fuhr er fort, »jeder auf seine begrenzte Art und Weise, jeder sucht bis zu seinem eigenen Grad der Zeit-die-beim-Suchen-verbracht-wird nach seinem Letzten. Meins hat fast unüberwindbare Schwierigkeiten geboten, und die Jahre scheinen jetzt spät zu werden, meine und die der Welt. Deshalb beschleunigte ich, als Sie mich sahen, wenn man es auch vielleicht nicht merkte. Ich bewegte meine Bügel und Scharniere fast mit dem äußersten Maximum, oh, ich war wieder dem Traum auf der Spur, heiß. Kommen Sie hier herunter.«
»Aber warum«, stammelte ich, »warum sind Sie, ein Künstler, zu diesem Ort gekommen, der sich offensichtlich mit Gewalt beschäftigt, zu einer Zitadelle wirklicher Entschlossenheit? Ich nehme an, Sie sind unterwegs?«
»NEIN!« Sein Kopf schnellte hoch, die alten Schultern strafften sich, und die weißen metallenen Sprungfedern in seinem Bart zitterten. Sein Kopf schüttelte sich auf den Sprungfederstreifen seines Halses. »Nein, ich bin nicht unterwegs, außer in dem größeren Sinne, daß wir immer unterwegs sind, wie wir hier umherwandern und hier schauen. Aber ich hoffe, ich bin jetzt Hier, am Ziel angelangt. Ich hoffe, ich habe gefunden – um nach diesem Hier nicht mehr auf der Langen Suche umherzuwandern.«
»Ich – Ich verstehe nicht.« In meiner allgemeinen Unsicherheit und Überraschung zitterte ich mehr, als ich es wollte. Instinktiv blickte ich auf die bessere Stellung der Waffenmänner und schob mich etwas näher an eine stählerne Wache heran, die unweit von mir stand. »Hier ist keine Künstlerkolonie«, stieß ich unbeherrscht hervor, »auch keine Ruhestätte für alte Maler. Dies ist eine funktionierende Festung, und wir veranstalten keine Tänze für verkrüppelte Traumsucher. Ich hoffe, daß ich nicht böse werden muß.«
Er ignorierte meine Worte fast völlig. »In den Unteren Provinzen«, fuhr er fort, »verbreitete sich die Nachricht von einem höchst wunderbaren bewaffneten Ort bei dem Plastikland der stählernen Hunde, unweit dem Tal der Hexe. Ein Mann soll dort – umlaufenden Gerüchten zufolge – in einer Zitadelle sein, ein Mann der Neuen Methoden aus dem Land der Neuen Methoden, ersetzt, durch Metall gestützt, von Fleisch bis auf ein äußerstes Minimum, das für den sterblichen Menschen zulässig ist, entblößt. Dieser Mann soll dasitzen und ruhig leben, tagein, tagaus, jahrelang, jahrzehntelang, niemals durch Familie oder Freund oder Feind beeinflußt, und sein großes Ich in den Tagen seines Lebens vervollkommnen, wirklich ein Leben leben. Umgeben von so vielen Sicherheitsvorrichtungen und Wällen und all den Wunderbaren Anwendungen der Wissenschaften, die der Menschheit dienen und sie ernähren in diesem Jahr Unserer Entdeckungen, 2064, soll er wie eine prachtvolle Nuß faulenzen, wie ein riesiger Samen in einer großen Hülle, der Tag um Tag zu neuen Bedeutungen heranreifen soll. Nachdem ich ein Leben lang ungestüm
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