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Festung Zehn

Festung Zehn

Titel: Festung Zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bunch
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aufgehalten, in der unteren Provinz, ein ganzes hackendes Jahr lang. Nach einer so langen Zeit begann die Wand zu zerbröckeln, und ich ging durch. Mir macht es absolut nichts aus – hier gegen eine Festung zu hacken, in der unteren Provinz eine Bergwand zu zerschmettern oder unbehindert in der freien Luft des Gasschirms weiterzugehen. Ich verbrauche die Zeit, bis ich der Zeit müde bin, und dann drehe ich einfach die Knöpfe aus, durch die ich mich bewege. Ich habe absolut keinen Glauben, keinen bekannten Daseinszweck, und wenn ich Gottes Gesicht oder ein Teil jenes Gesichts finde, dann bin ich dafür programmiert, mit beiden Hämmern darauf einzuschlagen, so schnell ich schlagen kann und so fest. Für all dies gibt es Gründe, die ich ungefähr einmal in fünfundzwanzig Jahren vollständig darlege.« Er blickte auf ein kompliziertes Zeitgerät, das an seinem Neumetallhals baumelte, und ich wußte, daß dort Jahre, Monate, Wochen, Tage, Stunden – alles, bis auf das letzte Sekundenticken, in einem Wirrwarr von Kalendern und roten wirbelnden Zifferblättern vermischt waren. Wenn Metall grinsen kann – nun, er grinste, eine Art offenes Schmunzeln. »Sie haben den großen Vortrag gerade um ein Jahr, ungefähr sechs Wochen, fünf Tage und einen gewissen gemischten Betrag aus tickenden Sekunden, runden Minuten und langweiligen wirren Stunden verpaßt«, sagte er.
    »Vielleicht könnten Sie hier lagern, bis die Zeit zum Reden kommt, und dann könnte ich Ihre Geschichte hören«, sagte ich, weil ich meinen Humor ebenso bei mir hatte wie einen meiner Füße in Sicherheit, in der Tür des stählernen Guckkastens.
    »Sagen Sie einfach, daß ich Die Antworten gefunden hätte«, sagte er. »Sagen Sie einfach, daß Sie den gehenden-sprechenden Mir-ist-alles-egal-Mann gesehen hätten, ein Lebewesen, das Den Klauen entkommen ist. Es war nicht leicht, benötigte eine lange Zeit, und Planung, aber ich glaube, daß ich sie endlich erreicht habe, die allerletzte Lösung jener eingebauten Pein, dem Leben-Tod-Dilemma des Menschen.«
    Das war eine große Behauptung, die er gerade zum Schluß abgeladen hatte.
    »JA! der gehende-sprechende Mir-ist-alles-egal-Mann ruht gut in der Nacht. Er lehnt sich einfach irgendwo gegen einen Pfosten, eine Flußböschung, einen Baum, eine alte Raketenabschußrampe, irgend etwas – dreht die Schalter aus und läßt sie so programmiert, daß er zu einer angemessenen Morgenstunde wieder eingeschaltet wird. Und immer ist in ihm die Versicherung der wunderbaren Möglichkeiten; zu jeder Zeit, in der sich der gehende-sprechende Mir-egal dazu entschließt, kann er, wenn er nachts die Schalter stillegt, das Programm für sein Erwachen vernachlässigen, und es wird alles vorbei sein – VORBEI!«
    »Moment mal!« konnte ich nicht unterlassen anzudeuten, »hat nicht jede Art von Mensch in jedem Zeitpunkt der Geschichte praktisch jene Möglichkeit gehabt, am Morgen nicht aufzuwachen? Der Selbstmord ist nur ein klein wenig jünger als das Leben. Oder habe ich etwas nicht begriffen?«
    »JA!« brüllte er voll Spott, »Sie haben fast nichts begriffen. Der gehende-sprechende Mir-egal-Mann ist ungleich anderen, weil ihm alles so gleich ist. Ich habe Gott durch ein langes und langsames Manöver überlistet. Ich habe mich auf hundert Dutzend Operationstischen zurückgelassen, bin durch Feuer, durch die Zeit gegangen. Das Fleisch, das ich war, und die Seele, die ich eigentlich gehabt haben sollte, sind in hundert Dutzend Mülleimern von Krankenhäusern verschwunden und wurden daher in vielen vielen großen Flüssen und vielen vielen Müllverbrennungsfeuern verstreut. Und jetzt bestehe ich nur aus »Ersatzteilen« – Herz, Gehirn, Blut, Nerven, alles – alles ist jetzt Metall, alles automatisch, alles programmiert – wunderbar! Und wissen Sie was? Nachts träume ich nie. Wie könnte ich nachts träumen? Ich bin völlig ausgestellt, wenn sich der Schlaf einstellt. HA!«
    Dieser Kamerad hatte ein Ziel. Ich begann, seinen Plan zu erkennen. Der Rest von uns Neumetalleuten, deren Fleischstreifen gering an Zahl und unbedeutend waren, hatte geplant, das Dilemma des Menschen, die Pein seiner Vergänglichkeit und seiner langen Todesängste in der Welt dadurch zu besiegen, daß wir einfach für immer lebten. Wir würden das große Rätsel dadurch bezwingen, daß wir ihm niemals ins Auge schauen. JA! Aber ich begann wirklich zu sehen, wie das ermüdend werden könnte. Und jetzt brachte dieser, der sich als der Mir-egal-Mann

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