Fetish-Trouble 1: Im Bann des Knochenmanns (Kitty Moan) (German Edition)
Hier stand eingemottet auch der schwarze 600er-Mercedes Pullmann, der sie vor einer gefühlten Ewigkeit auf kürzestem Wege vom Kloster der barmherzigen Töchter in Daddys goldenen Käfig verfrachtet hatte, der in Wirklichkeit ein Gefängnis voller Albträume gewesen war. Kitty hatte sich bislang noch nicht davon getrennt, auch wenn es ihr nicht im Traum eingefallen wäre, damit durch die Stadt zu rollen. Daddys kantiges Lieblingsgefährt auf Weißwandreifen war ihr zu protzig, aber vor allem zu behäbig. Ihr stand der Sinn nach mehr Charakter und Power. Viel mehr als ihr ein Auto von der Stange bot.
Der kirschrote Viersitzer war eine Sonderanfertigung. Er vereinte unbändige Kraft mit aggressiver Eleganz. Die bullige flache Karosserie mit den kühn geschwungenen Kotflügeln weckte Erinnerungen an eine längst vergangene Epoche, als Autos noch Automobile hießen und ein eigenes Gesicht haben durften. Unter der wuchtigen Motorhaube mit dem gewaltigen Kühlergrill scharrten viele hundert Pferdchen mit den Hufen um so richtig Gas zu geben.
Kitty schnippte Tito die Autoschlüssel zu. »Du fährst!«
Tito und Celine wechselten überrascht einen Blick. Kitty ließ nur selten jemand anderes ans Steuer.
Walt Bowers war verschollen und Kitty ließ sich chauffieren! Irgendetwas war hier wirklich faul. Das Leben hatte ihnen schmerzhaft eingebläut auf die innere Stimme zu hören, und die meldete sich gerade lautstark. Diese Nacht stand unter keinem guten Stern.
Kitty fing Celines fragenden Blick auf. »Liebes, ich muss mich auf die Sendung konzentrieren. Endlich hab ich diesen Mistkerl da, wo ich ihn haben wollte. Jetzt soll nichts mehr schiefgehen!«
Sie lächelte ein wenig verkrampft, denn in Wirklichkeit sah sie sich außerstande selbst zu fahren. Die Beklemmung in der Brust und der wachsende Druck im Kopf machten ihr zu schaffen. Auch jetzt pulsierte das Blut in den Schläfen und manchmal tanzten funkelnde Punkte vor den Augen. Jetzt bloß nicht in Panik verfallen. Es würde schon so schlimm nicht sein. Jeder fühlt sich mal ein bisschen krank.
»Ist wirklich alles okay, Kitty?«, hakte Celine nach. »Soll ich den Termin nicht besser absagen?«
»Mach dir keine Gedanken. Ich habe nur Kopfschmerzen. Ich habe ein Aspirin genommen. Es ist alles in Ordnung!« Eine Absage wäre ihr wie Flucht vorgekommen, Kneifen kam nicht infrage.
Tito kniff zweifelnd die Augen zusammen, aber dann wischte er alle Bedenken beiseite und stapfte zum Auto. Seine Augen leuchteten. Celine folgte langsamer nach, sie war noch eine Spur blasser als normal.
»Fahr nicht wieder wie ein Henker!«, stichelte sie und stieß Tito einen Ellbogen in die Rippen.
Der Sportwagen schoss mit quietschenden Reifen die Ausfahrt hoch, hinaus auf die Straße. Tito stieg hart in die Bremsen. Richtung Moan Plaza ging gar nichts mehr. Sirenen hallten in den Straßenschluchten wider. Die schockgefrosteten Wände der Häuser reflektierten die flackernden Lichter von Polizeifahrzeugen und Rettungswagen. Tito musterte argwöhnisch die Masse aus sich stauenden Fahrzeugen und hin- und hereilenden Menschen.
»Was ist denn da los?«, grollte er.
»Vielleicht hat es dahinten gekracht, würde mich nicht wundern bei dem Wetter«, sagte Celine. Tito kassierte einen weiteren freundschaftlichen Knuff. »Komm Junge, wir sind spät dran. Gib endlich Gas!«
Das musste sie nicht zweimal sagen. Tito drückte ungeachtet der vereisten Straßen das Pedal hinunter bis aufs Bodenblech. Aus dem tiefen Blubbern des Motors wurde zorniges Röhren, blaue Flammen schlugen aus den Auspuffrohren. Tito wendete auf dem Punkt und raste in entgegengesetzter Richtung davon.
Tito liebte die entfesselte Kraft unter seinem Gasfuß und hielt den Wagen dicht am Limit. Er jagte im Zickzackkurs Richtung Lower Manhattan. An den Seitenscheiben flog die Stadt vorbei, bunte Lichter, die sich zu langen grellen Linien verzerrten. Tito war nicht zimperlich, was die Auslegung der Verkehrsregeln anging. Er war gezwungen einen gehörigen Umweg zu fahren und er hatte es eilig. Da war es ihm schnuppe, ob sich hinter dem roten Flitzer die eine oder andere Faust drohend in die kalte Luft reckte. Hauptsache sie waren rechtzeitig im Studio von OBC.
Unvermittelt klingelte Kittys Mobiltelefon und gleichzeitig schrillten bei Celine und Tito die Alarmglocken. Das bedeutete nichts Gutes. Gerade einmal eine Handvoll Menschen kannten diese Nummer.
»Ja?« Harte Linien bildeten sich um Kittys Lippen. »Danke!«
Weitere Kostenlose Bücher