Feucht
schüttelnden Bewegungen durch eine dicke Schicht an Schimpfwörtern und Vorhaltungen. Eigentlich, überlegte Rose, sah er weniger wie ein Tiger, sondern eher aus wie ein Frettchen, ein zorniges, beleidigtes Frettchen, dem jemand einen Kübel Abwasser in den Bau gekippt hat.
Sie sah auf die geschmackvolle Wohnzimmereinrichtung, die teuren Lampen, das venezianische Glas, den Schmuck, den Mettmann trug, und seine gepflegte, kultivierte, erfolgreiche Erscheinung. Und daneben auf den Flegel im Schmuddellook, die Termite, deren CD-Sammlung mit Sicherheit um einiges umfangreicher war als sein IQ. Aber seine Haltung war plötzlich nicht mehr wie ausgegossen, sondern aufgerichtet und wie zum Sprung angesetzt. Seine Kieferknochen, die so unglaublich viel Nahrung zermalmen konnten, arbeiteten sichtbar unter der Haut, und wenn er seinem Vater etwas erwiderte, waren es kurze, hingekratzte Sätze, aus dem schmächtigen Brustkorb hervorgegrollt und in die Luft gebissen.
Mettmann griff nach Roses Hand, die zog sie zurück, wenn er sich irgendwo festhalten musste, dann bitte nicht an ihr, sie war ein Schmuckstück, kein Rettungshaken. Sie dachte an die
Reisen nach Italien, die ihr bevorstanden, die exklusiven Schuhläden, die Augen ihrer Freundinnen, wenn sie den von und zu vorstellen würde. Sie dachte an das phantastische Essen, das er kochen konnte, und an die raffinierten erotischen Spiele, die sie sich zusammen noch ausdenken konnten. Aber da waren auch die Schweißränder des Schlumpfshirts, unter dem sich die Rippen abzeichneten, und von diesem Anblick konnte sie sich gar nicht mehr lösen. Mettmann spuckte seinem Sohn inzwischen eine Predigt entgegen, die so gespickt war mit Fremdwörtern, dass Rose keine Ahnimg mehr hatte, worum es eigentlich ging, an der Stelle des Hänflings wäre sie längst aufgestanden und gegangen, aber der saß ganz gelassen da, kannte diese Ausbrüche seines Vaters offenbar und amüsierte sich köstlich. Fast majestätisch saß er da, während Mettmann vor ihm wie ein aufgebrachtes Erdhörnchen hin und her hüpfte und dabei immer kleiner und kleiner wurde.
Rose dachte daran, dass sie später vielleicht einmal ihren Job bei den Kannibalen aufgeben könnte, um nur noch das blitzsaubere luxuriöse Heim mit netten Gästen zu bevölkern. Sie dachte daran, dass die Termite das ganze Essen für zwei Personen auch alleine weggespachtelt hätte. Und sie dachte an die Frauen in den Edelstahltanks, die Gummimanschetten um die riesigen Brüste, sie dachte an das erste Ruckeln und Zittern, wenn die Maschine wieder angeworfen wurde, an das erste nuckelnde Saugen, das Ziehen und dann die Ströme von Milch, die sich in die Schläuche ergossen, begleitet von einem süßen, klebrigen Gefühl zwischen den Schenkeln, das sich jetzt auch in Rose ausbreitete, sie vom Schoß aus überschwemmte und sie auf einer großen, warmen Welle sanft hin und her schaukelte. Und mit einem Mal wusste sie, dass sie auf die exklusiven Schuhläden, die Partys und die kultivierte Konversation vor dem Kaminfeuer locker verzichten konnte. «Habe ich dir eigentlich schon gesagt, wie ich heiße?», unterbrach sie die Tirade des völlig irritierten Mettmann und sah der Termite mit feuchtglänzendem Blick in die braunen, bernsteinbraunen, tigerbraunen Augen, «ich heiße Rose.»
«Rose», staunte die Termite, lehnte sich grinsend zu ihr herüber und ignorierte den schnaufenden Mettmann völlig, «wie Veilchen?», und stahl sich erneut einen Blick in den nun nicht mehr ganz so eng zusammengehaltenen Trench.
«Wie Veilchen», flüsterte Rose und tippte mit dem sorgfältig lackierten Zeigefinger genau auf die blaue Nase des Schlumpfs.
Die Leidenschaft des Tausendfüßlers
Vermutlich wäre ich Josua nie begegnet, wenn es nicht geregnet hätte. Ich war mit einer Freundin in der Stadt unterwegs zum Kampfshoppen, einer Freundin, die besser aussieht als ich, muss ich dazusagen. Und weil es mich immer so ärgert, dass ihr wesentlich mehr Männer hinterhersehen als mir, achte ich, wenn ich mit ihr losziehe, immer darauf, dass man das bemerkt, was an mir eindeutig schöner ist: meine Beine. Ich bin ohnehin größer als sie, aber wenn ich im Minirock mit Stilettosandalen durch die Fußgängerzone stöckele, können Sie mir glauben, dass ich mindestens genauso viele Blicke auf mich ziehe. Die Schuhe, die ich fur diesen Stadtbummel ausgesucht hatte, waren Folterwerkzeuge: zehn Zentimeter dünnster Absatz, vorne und an den Seiten offen und nur um die
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