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Feucht

Feucht

Titel: Feucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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Fußfessel und den großen Zeh ein dünnes goldenes Bändchen mit Strasssteinen. Gegen meine Schuhe tragen Barbiepuppen nur Öko-Galoschen. Allerdings waren diese Sandalen wirklich unbequem, schon im Parkhaus scheuerten die Riemchen um die großen Zehen, und dann fing es auch noch an zu regnen. Meine Freundin verabschiedete sich früher als geplant und rannte irgendeinem Bus hinterher. Und ich stand patschnass da in der Fußgängerzone vor einem Schuhgeschäft und träumte von klobigen Herrenslippern und Gesundheitstretern. Und während ich an der Auslage vorbeistöckelte und versuchte, nicht in die Pfützen zu treten, weichten die goldenen Riemchen auf und rissen, ich verlor den Halt, knickte um und fiel hin. Praktisch im gleichen Moment kam aus dem Geschäft ein Verkäufer geschossen, als hätte er mich beobachtet und nur daraufgewartet, dass ich hinfallen würde (er hatte mich beobachtet, er hatte darauf gewartet, dass ich hinfiel, aber das wusste ich da noch nicht). Er half mir hoch und sagte nur: «Ich heiße Josua, ich werde mich um Sie kümmern», mehr nicht. Ich fand das schon merkwürdig, aber er sagte es so selbstverständlich, dass ich zuließ, wie er mich um die Taille fasste und ins Geschäft führte.
    Drinnen nickte er einem Kollegen zu und sagte: «Ich helfe der jungen Dame gerade mal, kümmern Sie sich bitte um die Kunden», und brachte mich ins Lager, wo er mich neben einem Waschbecken auf einen gepolsterten Stuhl mit Plastiküberzug setzte. Dann hockte er sich vor mir auf eins der altmodischen Bänkchen, auf denen früher die demütigen Fräuleins vor Kunden gesessen haben, um Senkel zuzuschnüren oder ihnen mit dem Schuhlöffel zur Hand zu gehen. Einen Moment lang dachte ich darüber nach, dass mein Rock wirklich sehr kurz war und dass mir dieser Josua von seinem niedrigen Höckerchen aus genau auf den Slip sehen konnte, aber er versuchte es gar nicht, sondern füllte Wasser in eine Schale, griff nach einem Schwämmchen und einer roten Tasche, die sich als Erste-Hilfe-Köfferchen entpuppte. Ich wunderte mich nicht, dass er das alles in Reichweite hatte, und hielt es für Zufall. Später erzählte er mir, dass das genau der Moment gewesen war, von dem er seit Monaten geträumt hatte: Eine schöne Frau knickt vor seinem Geschäft um und muss verarztet werden. Er schnürte das Riemchen, das nicht aufgeweicht war, von der Fessel und zog mir behutsam den Schuh aus. Ich zuckte ein paar Mal zusammen, ich bin nämlich sehr kitzlig, ich lache schon, wenn ich nur auf dieser Platte stehe, auf der man von zwei Seiten Lineale an die Füße heranschieben kann, um die optimale Größe zu finden. Sobald mich die Lineale berühren, fange ich an, zu kichern und hüpfe schnell herunter, bevor mein Gegacker peinlich wird. Aber Josua ließ sich von meinem Zucken gar nicht stören. Er nahm den umgeknickten Fuß fest in die Hand und drehte vorsichtig das Gelenk. Es tat nicht weh. Dann tunkte er das Schwämmchen ins Wasser und wischte mir vorsichtig Schmutz und kleine Steinchen von der Haut. Er war überaus gründlich, und weil er sich so sehr auf das, was er tat, konzentrierte und sich offenbar auch nicht unterhalten wollte, lehnte ich mich in dem Stuhl zurück, ließ es zu, dass mein Rock noch ein Stückchen weiter hochrutschte, und entspannte mich. Nachdem er beide Füße mit dem Schwämmchen gewaschen hatte, suchte er in dem Koffer nach Jod und tupfte es vorsichtig auf die Schrammen unter dem Knöchel. Dann untersuchte er die beiden wunden Stellen auf den großen Zehen, an denen das Bändchen gescheuert hatte, und fragte, ob er sich darum auch noch eben kümmern sollte. Und er fragte das mit einem Ton, dass ich es eher als Bitte verstand und weniger als Angebot. « Sie mögen Füße, was?», fragte ich. Und er lächelte mich sehr schüchtern an und sagte: «Ihre sind perfekt. Sie haben einen überhohen, gewölbten Spann wie eine Balletttänzerin, die auf der Spitze steht. Ihr Ballen und das Gelenk sind schmal. Ihre Ferse ist ganz weich, praktisch ohne Hornhaut, obwohl Sie sie mit solchen Billigschuhen malträtieren. Ihre Zehen sind gerade und nicht zu lang, genau richtig, und vor allem Ihre Nägel sind wunderschön: trapezförmig, ohne Rillen. Und nirgendwo eine Ader, alles gleichmäßig gebräunt, nur hier», er strich mit einem Finger an der Seite des Fußes entlang, «ist in der S-Form der Wölbung fast unsichtbar die Linie, wo die Haut weißer wird und in die Sohle übergeht.» Er lächelte und beobachtete mich

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