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Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten.

Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten.

Titel: Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Janus
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auftauchte. Thomas gähnte laut. Cortés warf ihm einen strengen Blick zu, sagte aber immer noch nichts. Wahrscheinlich, weil auch die anderen nicht viel Lerneifer zeigten.
    Thomas betrachtete Cortés genauer. Der war bestimmt über eins achtzig groß und ziemlich schlank. Seine schwarzen Haare waren relativ kurz geschnitten. Im Gesicht war er glatt rasiert. Die dunklen Augen hatten eigentlich einen sehr charmanten Ausdruck, und genau genommen wirkte er auch insgesamt ganz nett, aber Thomas war sauer auf ihn, da half nichts. Cortés trug Jeans, dazu ein schickes, helles Jackett und darunter ein schwarzes Hemd mit offenem Kragen. Wie alt mochte er sein? Thomas schätzte ihn auf dreißig. Erst später sollte er erfahren, dass Cortés schon sechsunddreißig war.
    »Ja, Sie! Wie ist Ihr Name?«
    Thomas fuhr auf. Cortés meinte offenbar ihn. »Tom«, sagte er nur.
    »Haben Sie keinen Familiennamen?«, fragte Cortés ironisch.
    »Nein!«, murmelte Thomas trotzig. Die andern kicherten.
    »Also gut, Tom. Dann sagen Sie mir doch bitte mal, was Sie über Schiller wissen.«
    Thomas schwieg.
    »Das ist nicht sehr viel«, meinte Cortés.
    Lehrer! So waren sie! Immer machten sie einen vor den andern fertig! Thomas starrte ihn gereizt an.
    Cortés war näher zu seinem Tisch gekommen. Thomas sah jetzt seine dunklen Augen sehr deutlich. Der Kerl hatte verdammt lange Wimpern! »Können Sie mir etwas über Schillers ‚Wallenstein’ erzählen?«, bohrte Cortés weiter.
    Thomas schwieg weiterhin bockig.
    Cortés kam noch näher. Thomas roch jetzt, dass er ein Rasierwasser oder Parfum benutzte. Er fand so was albern.
    »Wissen Sie denn, wer ‚ Wallenstein’ überhaupt war?« Cortés ließ nicht locker. Er stand jetzt unmittelbar vor Thomas’ Tisch und lehnte sich mit den Oberschenkeln an die Tischkante. Thomas konnte deutlich Cortés’ Schwanzbeule sehen. Sie war ordentlich dick, das musste Thomas zugeben. Na und?, dachte er wieder.
    Da meldete sich ein Mädchen und plapperte alles über Schiller und Wallenstein herunter, was sie wusste. Cortés drehte sich um und kümmerte sich nicht mehr um Thomas.
    Endlich war die Deutschstunde um. Thomas wollte schnell aus der Tür schlüpfen, doch Cortés’ strenge Stimme hielt ihn zurück: »Sie bleiben bitte noch hier, Tom!« Verdammt!
    Als die anderen alle den Klassenraum verlassen hatten, schloss Cortés die Tür und setzte sich wieder an den Lehrertisch. Thomas musste vor ihm Aufstellung nehmen. Cortés betrachtete ihn von oben bis unten. Thomas brauchte sich nicht zu schämen, er wusste, dass er hübsch war, schlank und relativ zierlich, aber nicht dünn. Er hatte durchaus Muskeln, wenn auch keine Ringerbizepse. Sein glattes, hellblondes Haar fiel ihm frech in die Stirn. Thomas wusste auch, dass seine blauen Augen eine ziemliche Wirkung ausüben konnten, das hatte ihm einmal ein Mädchen gesagt, das ihm vergeblich nachgelaufen war.
    »Hatten Sie einen Grund, weshalb Sie mir vorhin nicht geantwortet haben?«, fragte Cortés ruhig.
    Thomas zuckte nur mit den Schultern.
    »Sie sollten wenigstens ein Argument haben«, meinte Cortés. »Einem vernünftigen Argument habe ich mich noch nie verschlossen.«
    Widerwillig knurrte Thomas: »Ich war verabredet. Das ist jetzt geplatzt!«
    Cortés nickte verständnisvoll. »Ich verstehe Ihren Ärger. Übrigens hatte ich auch einen Termin. In letzter Minute hat mir der Direktor mitgeteilt, dass ich die Stunden in Ihrer Klasse übernehmen soll.« Na und?, wollte Thomas gerade sagen, da redete Cortés schon weiter: »Waren Sie mit Ihrer Freundin verabredet?«
    Empört über so viel Neugier wollte Thomas gerade ausrasten, da durchzuckte ihn ein Gedanke. Er könnte sich an Cortés rächen! Bestimmt war der Kerl schwul, sonst hätte er Thomas nicht so angestarrt. Aber er würde es sicherlich nie zugeben. Wenn es ihm, Tom, gelänge, diesen parfümierten Affen zu verführen … und das dann so zu drehen, als hätte der ihn verführt … das wäre doch mal eine neue Variante: Der Konquistador Cortés wird durch einen Azteken, einen Stadtindianer erobert und vernichtet!
    »Ich hab keine Freundin«, sagte Thomas nun in einem ganz anderen, sanften Ton. »Ich mag gar keine Mädchen!« Er senkte seine Wimpern und sah Cortés dann mit einem gekonnten Augenaufschlag an.
    Cortés wirkte etwas irritiert, riss sich dann jedoch offenbar zusammen. »Es tut mir jedenfalls leid, dass Sie Ihre Verabredung nicht einhalten konnten«, sagte er nervös.
    Thomas rückte etwas

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