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Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Titel: Feuchtgebiete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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beiden doch nie in ein Zimmer. Meine Eltern, meine ich, wenn die einfach kommen und gehen, wann sie wollen, ohne auf die Besuchskoordinatorin zu hören. Mein Vater hat was Komisches in der Hand.
    »Guten Tag, Tochter. Wie geht es dir?«
    »Guten Tag, Papa. Hattest du schon Stuhlgang?«
    »Unverschämtheit«, sagt er und lacht. Ich glaube, er kann sich denken, warum ich ihn das frage.
    Ich strecke meine Hand aus, wie ich es immer tue, wenn Papa mir was geben soll. Er legt mir das Mitbringsel in die Hand. Ein komisches Etwas in durchsichtiger Folie.
    »Ein Ballon? Ein grauer Ballon? Danke, Papa. Das macht mich bestimmt schnell gesund.«
    »Mach mal auf. Du bist zu schnell, Tochter.«
    Es sieht aus wie ein unaufgeblasenes Nackenkissen, nur nicht in Hufeisenform, sondern rund, wie ein Schwimmring, aber für sehr dünne Menschen.
    »Kommst du nicht drauf? Es ist ein Hämorrhoidenkissen. Damit kannst du sitzen, ohne dass es dir wehtut. Du platzierst die Wunde in die Mitte des Rings, dann schwebt sie frei in der Luft, und wenn sie nichts berührt, kann sie auch nicht wehtun.«
    »Oh, danke, Papa.« Er hat offensichtlich lange darüber nachgedacht, dass ich Schmerzen habe und was er dagegen tun kann. Mein Papa hat Gefühle. Und auch welche für mich. Schön.
    »Papa, wo kann man das kaufen?«
    »Im Sanitärhandel.«
    »Heißt das nicht Sanitätshandel?«
    »Kann sein. Dann eben Sanitätshandel.«
    Das ist schon ein langes Gespräch für unsere Verhältnisse.
    Ich reiße die Folie auf. Und fange an, das Ringkissen aufzupusten. Ich glaube, lange rumliegen und sich Sex mit dem Pfleger vorstellen macht die Lunge nicht gerade kräftiger. Nach ein paar Pustern wird mir schwarz vor Augen. Ich reiche das Kissen an Papa weiter, der soll das zu Ende bringen.
    Ich habe beim letzten Puster extra viel Spucke am Pustenippel hängen lassen. Den steckt Papa jetzt ohne abzuwischen in seinen Mund. Das ist doch schon die Vorstufe zum Zungenkuss. Kann man doch sagen, oder? Ich kann mir sehr gut und gerne Sex mit meinem Vater vorstellen. Früher, als ich klein war und meine Eltern noch zusammenlebten, liefen sie morgens immer nackt vom Schlafzimmer ins Bad. Da trug mein Vater immer einen dicken Stock vor sich her im Lendenbereich. Schon als ganz Kleine war ich da sehr fasziniert von. Die dachten wohl, ich merke das nicht. Hab ich aber gemerkt. Und wie.
    Ich wusste damals nichts von Morgenlatten. Das habe ich erst viel später gelernt. Eine lange Zeit, auch als ich schon mit Jungs gefickt habe, dachte ich, die Erektion am Morgen ist wegen mir. Das war sehr enttäuschend, als mir erklärt wurde, dass Männer das haben, um die Pisse morgens am Rauslaufen zu hindern. Eine Riesenenttäuschung war das.
    Ich beobachte meinen Vater beim Blasen und muss lächeln. Wie er sich da so ernst und konzentriert abrackert, erinnert mich an früher. Als wir im Urlaub waren, am Strand, und er mir und meinem Bruder ganz viele sehr große Gummitiere und Luftmatratzen bis zur Erschöpfung aufpusten musste. Das ist wahre Vaterliebe. Er sollte mir im Urlaub auch den Rücken eincremen, um mich gegen die Sonne zu schützen. Alle Stellen, an die ich rankam, habe ich selber eingecremt. Da war ich nie verbrannt. Der Rücken, für den mein Vater verantwortlich war, war immer verbrannt. Manchmal auch ganz schlimm. Wenn ich abends versucht habe, mir den verbrannten Rücken im Spiegel anzugucken, konnte ich sehen, dass Papa sehr nachlässig gearbeitet hatte. Da war ein großes weißes Fragezeichen auf dem Rücken, und alles andere außer diesem Fragezeichen war feuerrot. Er hatte sich offensichtlich einen Klecks auf die Hand gespritzt, einmal im Bogen über den Rücken gewischt und fertig. Habe ich auch immer gemerkt, dass es viel zu schnell ging. So viel zum Thema Vaterliebe. Vielleicht war er vom Gummitieraufblasen zu geschwächt, um mich auch noch richtig einzucremen. War vielleicht auch zu viel verlangt. Bestimmt. Mache ich immer. Zu viel verlangen.
    Er sieht, wie ich lächle.
    »Wasch?« Er nimmt zum Sprechen den Nippel nicht aus dem Mund.
    Und vermischt sehr stark seine Spucke mit meiner. Findet er das auch so gut wie ich? Denkt er auch an solche Dinge? Wenn man nicht fragt, wird man es nie rausfinden. Und ich werde nicht fragen.
    »Nichts. Nur danke für das Hämorrhoidenkissen und das Aufblasen, Papa.«
    Die Tür geht auf. Jetzt wird noch nicht mal mehr geklopft.
    Eine neue Krankenschwester. Wie viele gibt es von denen denn hier?
    Ich weiß schon, was sie will.
    »Nein,

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