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Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Titel: Feuchtgebiete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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Fernseher: zu hoch. Auf dem Tisch liegen Löffel: zu harmlos. Müslischüsseln: kann man auch nichts mit anfangen. Mein Blick wandert unter das Bett. Da. Ich hab’s. Die Bremse an den Betträdern. Die Räder sind groß und aus Metall, mit Gummi überzogen. Und die haben eine Art Fußbremse, ein rausstehendes Eisenpedal. Du bist auserkoren, Pedal. Ich gehe so schnell ich kann zum Bett. Stelle mich mit dem Rücken davor, rutsche ruckartig runter und lasse meinen Arsch auf dieses Pedal knallen. Jetzt sitze ich drauf. Und wackele wieder hin und her. Ich muss schreien vor Schmerzen und halte mir mit beiden Händen den Mund zu. Es wimmert hinter den Händen. Wenn das jetzt nicht klappt, dann weiß ich auch nicht weiter. Ich kann genau fühlen, wie das Pedal in die Wunde eindringt. Durch starken Gegendruck bohre ich es tiefer rein. Das muss reichen. Helen, du Tapfere. Gut gemacht. Ich weine und zittere vor Schmerzen. Das müsste aber jetzt geklappt haben. Meine Testhand wandert nach hinten, macht einen Wischer. Ich gucke drauf. Die ganze Handfläche ist voll mit frischem rotem Blut. Ich muss mich schnell hinlegen, sonst kipp ich um. Das ist ja nicht Sinn der Übung. Ich muss im Bett liegend gefunden werden, damit ich behaupten kann, dass es einfach so beim Liegen passiert ist. Ich lege mich hin.
    Es tut höllisch weh. Ich halte mir immer noch den Mund zu. Die Tränen fließen mir übers Gesicht. Soll ich jetzt schon jemanden rufen, oder noch was warten, damit die Verletzung einen besseren Eindruck macht? Ich warte noch was. Das schaffe ich auch noch. Merk dir, Helen dass du gleich noch die Bremse abwischen und die Spuren beseitigen musst. Das Kissen verstecke ich unter der Bettdecke. Da kümmere ich mich auch später drum. Es fließt und fließt immer mehr Blut hinten raus. Ich packe noch mal ganz kurz mit der Hand hin, und sie ist noch voller mit Blut als beim ersten Mal. Das Gefühl im Schritt und die Beine runter ist genauso wie als Kind, wenn man sich in die Hose gemacht hat. Wenn körperwarme Flüssigkeiten an einem runterlaufen, denkt man erst mal ganz unschuldig an Pipi, weil es das meistens war. Ich liege in meiner eigenen Blutpfütze und weine. Ich mache die Augen auf und sehe auf der Ablagefläche meines Metallnachtschranks einen abgedrehten Sprudelflaschendeckel. Den nehme ich in die Hand und versuche meine Tränen damit aufzufangen. Mit dieser kleinen Herausforderung kann ich mich von meinen schrecklichen Schmerzen ablenken, und vielleicht finde ich ja später Verwendung für die Tränen. Ich weine sehr selten. Aber jetzt schießt es nur so aus mir raus. Oben Tränen, unten Blut.
    Ich halte den Verschluss der Wasserflasche ganz nah an die Tränendrüsen und gucke mir nach einiger Zeit an, was ich da zusammengesammelt habe. Wenigstens der Boden ist bedeckt. Helen, jetzt hast du lange genug rumgefackelt. Ich klingele die Notbimmel. Während ich warte, dass jemand kommt, verstecke ich den Verschluss mit der Tränenflüssigkeit hinter allen Gegenständen auf meinem Metallnachtschrank. Damit es ja keiner von den Trampeln umstößt! Da steckt viel Schmerz drin, in dem kleinen Behältnis.
    Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass jemand kommt. Immerhin verliere ich grad sehr viel Blut. Egal, ob ich es selber gemacht habe oder es einfach passiert ist. Die müssen mir jetzt helfen, die Blutung zu stillen. Es ist schon so viel aus mir rausgelaufen, dass es auf den Boden tropft. Wie kann das denn sein? Das Bett müsste das doch eigentlich aufsaugen? Ich weiß. Wegen den Plastikunterlagen unter mir sammelt sich das Blut und suppt nicht in die Matratze. Es rinnsalt an mir vorbei auf den Boden. Ich liege hier im Bett und gucke mein Blut auf dem Boden an. Es wird immer mehr. Interessanter Anblick. Hier sieht es mittlerweile aus wie beim Metzger. Nur dass der in der Mitte abschüssig platziert einen Abfluss hat, damit das ganze Blut abfließen kann. Sollten die hier für die Proktologische Abteilung auch mal drüber nachdenken. Obwohl, das, was ich hier grad mit meinem Arsch veranstalte, machen wohl nicht alle Arschpatienten. Abfluss im Boden als schlechte Idee wieder verwerfen. Ich drücke die Bimmel noch mal. Dreimal hintereinander. Ich kann auf dem Flur hören, dass das gar nichts bringt. Dreimal hintereinander Drücken ergibt trotzdem nur einen einzigen Summton im Schwesternzimmer. Die wollen sich wohl nicht von den Patienten verrückt machen lassen. Obwohl man mit so einem System eine viel klügere Kommunikation zwischen

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