Feuer brennt nicht
ihm mehr als nur den Körper. Wohlig stöhnend, als sänke sie in ein warmes Bad, biegt sie den Kopf zurück, die starke Kehle, winkelt die Knie an und wird so feucht, dass ein großer Fleck auf dem Laken erscheint. Gleichzeitig schwillt ihre Klitoris und wächst aus ihr heraus; fast kann er sie handhaben wie ein winziges Glied, und er staunt, wie weit und hart sie noch zu ertasten ist unter der Haut. Dabei liegt Charlotte nahezu andächtig da, als lausche sie in irgendeine Ferne, beißt sich in den Daumen oder streicht mit einem Fuß über seinen Rücken, und nach gut einer halben Stunde, als seine Zunge müde wird und weh tut an der Wurzel, pustet er sie nur noch an. Dabei gräbt er die Fingernägel in ihre Brustwarzen, die dunklen Höfe, und heftig reißt sie an seinen Haaren und kommt.
Ihr Orgasmus ist etwas, das er so noch nicht erlebt hat. Er beginnt mit einem Wimmern, fast kindlich, wobei sie das Becken schneller vorstößt und ihn, seinen Kopf, so fest an sich zieht, dass die Lippen unbeweglich werden und die Zunge kaum noch Spielraum hat; sie reibt sich an seinen Schneidezähnen. Und dann schreit sie auf, stemmt ihn weg, dreht ihm den Rücken zu und krümmt sich zusammen. Er will sich an sie schmiegen, doch sie wehrt seine Arme ab und fängt an zu zittern; an Brüsten und Schenkeln erscheint eine Gänsehaut, und auch das Atmen klingt wie Bibbern, als wäre ihr kalt. Immer wieder zieht sie den Bauch so weit ein, dass eine Mulde mit einem kaum mehr sichtbarenNabelschlitz entsteht und die unteren Rippenbögen hervortreten. Ihre Hände tasten umher, suchen einen Halt, quetschen seine Finger zusammen, die Lider zucken, und schließlich dreht sie sich um und scheint zu entspannen. Sie lächelt sogar, leckt sich einen Mundwinkel, und Wolf streicht ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und will schon aufstehen, da durchschauert sie eine neue Welle, und sie fängt an, mit Wucht nach ihm zu schlagen. Die Wirbelsäule gewölbt, die Zähne gefletscht, haut sie, ohne hinzusehen, auf seinen Brustkorb, seine Hüfte und die Oberschenkel ein, und im letzen Augenblick kann er ihre Handgelenke umfassen und verhindern, dass sie ihn an empfindlicherer Stelle trifft. Eine krampfartige Kraft ist in den Armen, wie gestaute Elektrizität, und während sie stöhnt, als würde sie von innen verbrannt, und sogar nach ihm tritt, nimmt sie ihn wohl gar nicht wahr. Sie schließt die Augen und ist so allein, wie es ein nackter Mensch nur sein kann; schwärzliche Tränen fallen auf das Kissen. Und dann schmiegt sie sich an ihn und schläft auch schon ein. Dabei schnarcht sie leise.
Wenige Tage später treffen sie sich in einem Café am Südstern, und es ist wieder wie vorher: Jeder bleibt vor dem anderen auf der Hut, als spürten sie, dass die Lust, die zwischen ihnen möglich ist, ebensogut ein Schmerz sein könnte. Sie trinken Cognac und Kaffee. Charlotte, in deren Vokabular die Wörter Leistung und Erfolg so selbstverständlich vorkommen, wie er sie vermeidet, spricht über ihre Arbeit, eine Studie über die neue Freiheit der Frauen und die damit zusammenhängenden Depressionen. Er kritzelt Pflanzen und Fratzenauf eine Papierserviette. Nicht mehr eingebunden zu sein in klar definierte Strukturen und Konventionen mache die Menschen zunehmend orientierungsloser; feste Beziehung, ja oder nein, zusammenwohnen, ja oder nein, Kinder oder Beruf – die überall anstehenden Entscheidungszwänge würden schließlich zum Stress und führten zu einer tiefinneren Müdigkeit, besonders bei Frauen, so dass deren hysterische Disposition sich in eine depressive verwandele, mit den Begleiterscheinungen Tablettensucht, Alkoholismus und Frigidität. Die Hysterie, Ende des neunzehnten Jahrhunderts als spezifisch weibliche Krankheit definiert, werde Ende des zwanzigsten von der Depression abgelöst, sagt sie.
Das leuchtet ihm ein, keine Frage, es ist zu der Zeit durchaus neu für jemanden, der keine wissenschaftlichen Bücher liest. Aber ihr dozierender Ton beengt und verärgert ihn. Sie will vor ihm glänzen mit ihren ausgestopften Schultern, dem frischen Doktortitel, sie schlägt die Schenkel übereinander und hält die Schienbeine parallel, und er betrachtet ihr gestyltes Haar und muss an die Talkmasterinnen und Nachrichtensprecherinnen im Fernsehen denken, die alle denselben Friseur zu haben scheinen und durchweg die gleichen prinzipiensicheren und gefühlsleeren Gesichter in die Kameras halten, die Mundwinkel züchtig gespannt, als gäbe es nichts
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