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Feuer brennt nicht

Feuer brennt nicht

Titel: Feuer brennt nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Rothmann
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zögerlich setzt das Klatschen ein und hört sich dünner an als bei den anderen, eine Diskussion wird der Ochsenschwanzsuppe geopfert, und entsetzt von sich selbst, beschließt er, nie mehr eine Zeile zu schreiben; verzweifelt zerreißt er das Manuskript auf dem Klo.
    Aber danach, als längst schon jemand anderes liest und er schwitzend in der Küche steht und eine kalte, in Mayonnaise getunkte Kartoffel hinunterschlingt, spricht ihn ein Verleger an.

    Der Sommer geht zu Ende, ihr zweiter in Friedrichshagen. Die ehemals weißen Hortensien sind mattgrün geworden, mit einem zartvioletten Schimmer an den Lichtseiten der Dolden. Doch nach wie vor ist es warm, das mürbe Laub hängt noch an den Bäumen, und auch die Vögel sind bisher nicht fortgezogen. Vor allem Stare sammeln sich in den abendlichen Wäldernlängs der Ufer. Man hört sie in den Kronen der Eichen und riesigen Kiefern, ohne viel mehr von ihnen zu sehen als hier und da einen gelben Schnabel oder etwas von dem Fettglanz des Gefieders, und schließt man die Augen, kommt einem ihr unablässiges Schwätzen in hellen Facetten, ihr Zirpen, Zwitschern und Kreischen dort oben vollends märchenhaft vor, als stände man im Keller einer Kristallschleiferei.
    Dann wieder verstummen sie derart jäh, dass man sich benommen fühlt, und fliegen rauschend auf, um die letzte Wärme der sinkenden Sonne einzufangen und wohl auch zu üben für die lange Reise in den Süden mit ein paar Kreisen, Loopings und hoch und höher sich windenden Pirouetten. Hinter den großen Schwärmen nimmt man die Kuppel der Sternwarte und die langsam den Flughafen Schönefeld ansteuernden Jets nur noch schemenhaft wahr. Geht man darunter entlang, verdunkeln sie den Weg, und man denkt an zarten Stoff, der durch die Luft geschwenkt wird, an ein Wehen und Sich-Blähen von schwarzen Schleiern; doch aus der Ferne sehen sie wie ein Jubilieren aus, diese Tänze in Formationen, wie die Freude des Himmels.
    Am Teufelssee, einem kleineren Gewässer im Waldesinnern, steht ein ehemaliges Ausflugslokal mit moosigen Zinnen auf dem Dach und einem Turm, auf dem eine Langnese-Fahne weht. Eine Sauna-Anlage befindet sich jetzt darin, mit Dampfbad, russischer Banja und Hamam. Kräuterpackungen und Shiatsu-Massagen werden angeboten, und es gibt einen Kinderspielplatz auf der umzäunten Uferwiese, eine Voliere voll exotischer Singvögel und ein Labyrinth aus übermannshohenHecken; in dessen Mitte, in einem geräumigen Pavillon mit gläserner Kuppel, kann man sich im Schein orientalischer Ampeln entspannen. Der Getränkeautomat steht neben der Tür.
    Nach dem Mauerfall rasch und billig eingerichtet, wirkt die Anlage bereits renovierungsbedürftig, wird aber gut besucht; die Frau an der Kasse, eine ältliche Blonde mit Strass-Staub auf den zweifarbigen Fingernägeln, reicht ihnen Schlüssel, deren Wollarmbänder noch nass sind. An keinem der Schränke in dem schmalen Umkleideraum sitzt die Tür so, wie sie eingebaut wurde; überall zusätzliche Scharniere und Schlösser, und die Luftfeuchtigkeit ist schon hier derart, dass die Spanplatten aufquellen und türkisfarbene Furnierstreifen wie Palmblätter über dem Gang hängen.
    Doch die Duschen sind in Ordnung, mit sattem Strahl, hinter dem der Schimmel zwischen den Fugen verschwimmt, und die verschiedenen Schwitzräume sehen aus wie überall. Es gibt eine Vierzig-, eine Sechzig- und eine Neunzig-Grad-Sauna, bunt beleuchtet, und alle – das Gewirr der Badelatschen vor den Türen lässt es ahnen – sind erstaunlich voll; man rückt nah zusammen und hat Mühe, den Nachbarn nicht zu berühren; Wolf legt die Hände auf die Knie, lauscht den Vogelstimmen vom Band und hofft inständig, dass es nicht der Schweiß des höher Sitzenden ist, der ihm über den Rücken läuft. Die Schamottsteine knacken.
    Viele, wenn nicht die meisten hier, scheinen Stammgäste zu sein; man begrüßt sich mit hallendem Hallo, neckt einander und plaudert viel, sowohl beim Schwitzen als auch in den gekachelten Gängen, wo Alina und erimmer wieder aus den Augenwinkeln betrachtet werden, als wären sie sogar ohne Kleider als Westler zu erkennen – was sie vermutlich sind. Denn das Zögerliche und leicht Schamhafte, das sie an den Tag legen an diesem ungewohnten Ort, ist den meisten Besuchern völlig fremd. Die zwischen dreißig und siebzig Jahre alten Menschen tragen ihre Blöße wie jeden anderen Freizeitdress auch und fühlen sich offensichtlich wohl in ihren Körpern, dem festen Fett, das eine

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