Feuer brennt nicht
nahezu endlosen Güterzugs ist gerade verhallt, als ein Fuchs über den Gehweg schnürt in leichtem Federgang, ein mageres Tier mit buschigem Schweif, das immer wieder witternd den Kopf hebt; im Schein der spärlichen Laternen schimmern die Haare an den gespitzten Ohren. Schon mehrere Häuser weit entfernt ist er, als Wolf, der eine SMS gelesen hat, sein Handy ausschaltet, und dennoch scheint er den leisen, kaum wahrnehmbaren Piepton zu hören; wie von dem eigenen Erschrecken zur Seite gerissen, macht er einen Ausfallschritt und blickt dabei über die Schulter. Fasst sich aber sogleich und läuft geradewegs in den Park. Später bellt er irgendwo im Gestrüpp, krächzende, deutlich klagende Laute, um die es eine Aura von wälderweiter Einsamkeit gibt unddie von den Hunden hinter den Gardinen und Rollos der umliegenden Wohnungen mit wüstem Kläffen und Jaulen beantwortet werden.
Nach Alinas Äußerung über Websters Geruch war ihm erstmals aufgefallen, wie innig sie ihn immer begrüßt hatte, wenn er mit ihm nach Hause kam, wobei sie ihr Gesicht liebkosend in sein Fell wühlte, das fremde Aromen oder Parfümdüfte tatsächlich länger zu bewahren scheint, als Menschenhaare oder Kleider es tun; seitdem nimmt er ihn nicht mehr mit, wenn er zu Charlotte geht. Ohnehin hat er die Gegenwart des Hundes stets als stummen Vorwurf empfunden. Da sich seine Fellfarbe kaum abhebt von dem dunkel gebeizten Boden in ihrer Wohnung, sah er manchmal nur die bernsteinhellen Augen in der Ecke, ein Blick, der ihm umso trauriger erschien, je hingegebener oder heftiger sie es trieben auf dem teuren Sofa. Sogar das Schnaufen des Tiers kam ihm dann missbilligend vor und sein Gähnen spöttisch.
Da auch nach über einem Jahr der Heimlichkeit von Liebe nicht zu reden ist, helfen sie sich mit milder Ironie. Charlotte jedenfalls legt nach einer durchaus innigen oder gar atemlosen Begrüßung nicht selten – fast kann er den Ruck sehen, den sie sich gibt – eine schmunzelnde Strenge an den Tag und hält es offenbar für nötig, ihm mit erhobenem Kinn und fein ziselierter Miene zu bedeuten, dass sie hier eine Gunst erweist, eine Gnade gar, für die er dankbar zu sein hat. Schließlich habe sie Termine und werde umworben,ihr Telefon stehe nicht still, und sogar die männlichen Studenten machten ihr den Hof. Dabei trägt sie oft die Kleider, Schuhe oder einschneidenden Wäscheteile, die er sich insgeheim gewünscht hat, und es ist weniger das Durchsichtige dieses Theaters, das ihn verstimmt, als vielmehr die dreiste Selbstverständlichkeit, mit der sie von ihm erwartet, es nicht zu durchschauen. Zumal sie sich dem Ungestüm, das sie hervorkitzeln möchte, kaum je gewachsen zeigt.
Sie befindet sich in den Wechseljahren und ist darum nicht immer feucht, schon gar nicht, wenn er es eilig hat, zwischen ihre Schenkel zu kommen. Manchmal schmeckt sie nach Medikamenten, und neuerdings will sie erst einmal massiert werden, vom Nacken bis zu den Sohlen; ein Fläschchen Lavendelöl steht immer neben dem Bett. Zwar gehorcht er stumm, wenn sie ihn ermahnt, weniger fahrig zu sein dabei; doch dauert es selten lange, bis die einfühlsamen Berührungen zu nachdrücklichen werden und er die Grenzen seiner Geduld mit den Fingernägeln in ihre Haut drückt. Sie grob zu behandeln, ja gemein, ihr in den Mund zu greifen und sie zu beschimpfen mit allem, was sein proletarischer Wortschatz hergibt, ist an manchen Tagen seine Form von Rache dafür, dass sie im Nachglanz ihrer Illusionen kaum mehr von ihm will als einen funktionierenden Körper.
Um ihr keine Gelegenheit zur Herablassung zu geben, äußert er zwar selten einmal Wünsche, doch lebt er an Charlotte aus, was er Alina aus Scham oder Zartgefühl nicht zumuten mag; er legt sich in die leere Wanne und lässt sich von ihr bepissen, schlägt auf ihrenHintern, bis er dunkelrot ist, spritzt ihr ins Gesicht, in die frisch getönten Haare, und stößt ohne Vorwarnung in ihren Schließmuskel, wobei er den Eindruck hat, dass sie nicht nur den Schmerz, sondern auch sich selbst als hilflos Wimmernde genießt. Sie mag es sehr, die Professorin, wenn er sie Miststück oder Fotze nennt, und lässt alles mit sich machen und bleibt offen für das meiste, solange sie am Ende ihren Orgasmus hat. Und der ist nach wie vor von jener unglaublichen Glut, die im Gedicht die Kerzen im Schnee entfacht.
Dann schmiegt sie sich an ihn und zittert noch lange, und er küsst ihr die Tränen aus dem Gesicht. Manchmal ist sogar etwas Girrendes
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