Feuer der Götter: Roman (German Edition)
ein, dass wir in den nächsten Tagen ausarbeiten werden, wie wir deinen ursprünglich für vierzehn Monate geplanten Aufenthalt in den vierzehn Türmen gestalten werden. Denn auf deine Ausbildung werden wir natürlich nicht verzichten.«
Hohe Priesterin hin oder her – Zoi schien entschlossen, sie nicht anders zu behandeln als zuvor. Das war Naave irgendwie sogar recht, schließlich fühlte es sich vertraut an. Würde diese Frau ihr plötzlich unterwürfig begegnen, könnte sie die Welt wohl gar nicht mehr verstehen.
»Das wäre fürs Erste genug.« Zoi wandte sich um. Royia hatte sie keines weiteren Blickes gewürdigt.
»Zoi? Hat man meinen Vater gefunden?«
»Die Tempelwächter haben einen Suchtrupp losgeschickt. Aber rechne nicht damit, dass der Große Beschützer den Leib deines Vaters hergibt.«
Hinter Naaves Augen ballte sich ein Druck. Sie blinzelte, um ihn wieder loszuwerden. Als die Priesterin gehen wollte, lief Naave ihr nach. »Zoi! Wir suchen einen Hinweis, was auf dem Bergpalast geschieht. Aber nichts davon steht in den Büchern! Wozu eine Chronik, wenn man das Wichtigste nicht aufzeichnet? Und wenn man es nicht getan hat – woher wusste mein Vater davon? Von seinem Vater, und der wiederum von seinem, ja? War es so? Sie alle haben es nur mündlich wiedergegeben, weil es zu furchtbar ist, niedergeschrieben zu werden. Ist das richtig?«
Zoi war angesichts all dieser Fragen zurückgewichen. Langsam nickte sie. »Ich weiß darüber nichts. Nur einmal erwähnte Tlepau Aq, dass er es wüsste, weil er es gesehen hat. Was immer es war – ich habe nicht nachgefragt. Ich sah in seinen Augen, dass man besser nicht an diese Wahrheit rührte.«
»Er hat es … gesehen?«, hauchte Naave entgeistert. »Er war auf dem Berg der Götter?«
»Er war der Hohe Priester. Ich habe daraus geschlossen, dass einem Hohen Priester Zugang gewährt wird.«
»Das heißt … das heißt …«
»Ja, das heißt es wohl.« Zoi schürzte die Lippen. »Ich nehme an, dass sämtliche Bitten, dieses Vorrecht nicht zu nutzen, an dir abprallen werden, also lasse ich es.« Hochaufgerichtet machte sie auf der Ferse kehrt.
»Aber wie kommt man dort hinauf? Was muss ich tun?«
Noch einmal blickte Zoi über die Schulter zurück. »Das weiß ich nicht. Aber ich vermute, der Mann an deiner Seite weiß es.«
Damit schritt sie aus der Kammer. Naave wandte sich Royia zu.
Er nickte. »Sie hat recht. Ich kenne den Weg.«
»Aber wenn ich gehe und du mich begleitest, töten dich die Wächter der Toxinacen.«
»Sie sagt, du darfst hinauf. Wenn du mich begleitest, werden sie es vielleicht nicht tun.«
Ich will dich nicht verlieren, kaum dass ich dich wiedergefunden habe, dachte sie. Aber es war ja sinnlos, über einen anderen Weg nachzugrübeln. Es gab keinen. »Also sollen wir es wagen?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch. Fast wünschte sie sich, er würde ablehnen. Denn ihre Schultern waren viel zu schmal für dieses Wissen, das dort auf sie wartete, das ahnte sie bereits. Andererseits ersehnte sie, dass er mit der Antwort, wie auch immer sie ausfallen mochte, endlich Ruhe fand. Sie griff nach seiner Hand und verknotete ihre Finger mit seinen.
»Ja«, sagte er rauh. »Allerdings werden wir hinterher vielleicht nicht mehr dieselben sein. Mit mir könnte geschehen, was mit allen Erwählten geschieht, und du – dir könnte das Wissen schaden, so wie es der Seele deines Vaters geschadet hat. Also, wann sollen wir aufbrechen?«
»Gleich morgen Mittag nach dem Ritual.« Tief atmete sie ein. »Dann habe ich nicht so viel Zeit, es mir anders zu überlegen.«
• • •
Naave hielt den Sichelmond an die Flamme eines Öllämpchens, wartete, bis eine der beiden Spitzen Feuer gefangen hatte, und legte ihn in eine bronzene Schale nah am Fenster, wo der Stoff verbrannte. Der Wind trug einige tänzelnde Funken mit sich hinaus. In der Ferne grollte Donner, und von einem auf den anderen Moment prasselten dicke warme Tropfen zum Fenster herein und ließen die Glut zischen.
Die Stadt kam allmählich wieder zu sich. Unten auf dem Platz, wo die Händler wieder ihre Stände aufgestellt und Matten ausgebreitet hatten und lautstark ihre Waren anpriesen, redete man sich wahrscheinlich über den Tod des Hohen Priesters und die junge, unbedarfte Nachfolgerin aus dem Graben die Köpfe heiß.
Der Gedanke, dieses Amt zu übernehmen, war so fern wie alles, was nach ihrem Gang auf den Berg kommen mochte. Einfach unwirklich. Ebenso die Forderung Zois
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