Feuer der Götter: Roman (German Edition)
nach einem Sohn.
Wer soll denn überhaupt der Vater sein? Der altbekannte Trotz flackerte auf – wohltuend wie das Erscheinen eines vertrauten Freundes. Hat sie darüber auch nachgedacht?
Sie legte eine Pfanne auf die Schale, um den rußigen Qualm zu ersticken. Dann wandte sie sich zu Royia um. In Ermangelung einer eigenen Kammer hatte er sich auf ihre Bettstatt gelegt. Er ruhte auf der Seite, den Kopf auf eine Hand gestützt, und sah sie an.
Er?
Sie musste lachen. Fragend runzelte er die Stirn.
»Verzeih«, sagte sie. »Aber da hatten wer weiß wie viele Hohe Priester angeordnet, einen Feuerdämon zu fangen und zu ihnen zu bringen – und ich habe bei meinem Amtsantritt einen auf meinem Bett liegen. Was fange ich nur mit dir an? Also nicht morgen oder in den nächsten Jahren, sondern jetzt?«
Er setzte sich auf, und sie wusste die Antwort. Sie lief zu ihm und warf sich in seine geöffneten Arme.
So selbstverständlich fühlte es sich an, sich von ihm umarmen und halten zu lassen. Seinen Atem an ihrem Hals zu spüren. Über seine Narben zu tasten, seine harten Muskeln, seinen ganzen beeindruckenden Leib. Sie dachte zurück, wie sie sich an seinen Rücken hatte klammern müssen, um von ihm in den Lichtwald getragen zu werden. Welch eine Abscheu sie empfunden hatte! Und wie seltsam es ihr im Nachhinein vorkam. Damals war ihr nicht aufgefallen, wie zart und doch fest sich seine Haut anfühlte. Es war ganz natürlich, ihn zu berühren. Nicht nur mit den Händen. Ihre Haut prickelte überall, wo sie auf seiner lag.
»Wie eigenartig es ist, dich in den Armen zu halten«, flüsterte er in ihr Ohr. »So entsetzt, wie du mich anfangs angesehen hast …«
»Ja«, lachte sie glücklich. »Ich weiß.«
Naave hob eine Hand, ließ sie zögerlich vor seinem Gesicht schweben, vor seinem berückend schönen Gesicht, das nichts entstellte, auch nicht seine Flammenzeichnung, die jetzt klar und in aller Pracht zu sehen war. Sanft fuhr sie sie mit den Fingern nach, und mit einem wohligen Seufzen ließ er seine Lider sinken.
»Hast du dies denn schon immer?«, fragte sie.
»Nein, sie erschien in den Tagen meiner Mannwerdung.« Er berührte stattdessen eine winzige Narbe in der Kuhle seines Schlüsselbeins. »Diese Narbe war meine erste. Die hat jeder Waldmensch. Es ist ein Geburtsritual: Man schneidet das Kind, um festzustellen, ob der Schnitt leuchtet. Wenn es so ist, weiß man, dass es die alte Gabe des Lavavolkes geerbt hat und ein Erwählter ist. Allerdings passiert das so selten, dass niemand tatsächlich damit rechnet. Und du?« Er berührte die Grübchen ihrer Wangen. »Woher hast du dies?« Dann fuhr er über ihren gebogenen Nasenrücken. »Und dies?«
»Von meiner Mutter.« Warum fragte er das? Dahinter konnte schließlich keine so erstaunliche Geschichte stecken. Doch dann begriff sie, dass er ihr zeigen wollte, wie aufregend er sie fand. »Es ist schade, dass wir noch so wenig voneinander wissen. Wir wissen nicht einmal, ob uns viel Zeit bleibt, uns gegenseitig zu erkunden.«
»Oh, da fällt mir ein, dass ich dir gestehen muss, dir etwas genommen zu haben.«
Unwillkürlich sah sie an sich hinunter. »Was denn? Ich hatte doch nichts.«
»Das Ringgeld auf der Insel.«
»Oh. Oh! Das gehörte doch Tique.«
»Eben. Deshalb erscheint mir ›gestohlen‹ auch als etwas zu hart. Du wirst mir dafür nicht die Augen auskratzen, oder?«
Sie warf die Haare zurück und lachte. »Habe ich dir je erzählt, dass ich eine Diebin war?«
»Ich glaube nicht. Aber dann ist ja alles in Ordnung – eine Diebin und der Gott der Diebe.«
Sie hielten sich an den Schultern auf Abstand und sahen sich an. Dachte er wohl auch an das, was er früher in ihr gesehen hatte? Ein lästiges Mädchen, das ihn alle Geduld kostete? Oder verglich er sie mit den Waldfrauen, die er vielleicht zuvor gehabt hatte? Oder gar … Göttinnen? Andere Erwählte?
»Tique ist der Gemahl der Göttin des vierten Mondes«, sagte er. »Axiciya, die Göttin der Webkunst und des Tanzes. Xocehe, meine Lehrmeisterin, die Göttin der Heilkunde, hatte mir versprochen, dass ich sie lieben werde und sie mich. Ich hatte sie mir als wunderbare Frau vorgestellt.«
Schon wieder dachte er über das Gleiche nach wie sie. Naave fand es geradezu beängstigend.
»Aber ich fürchtete mich auch vor ihr und verstand nicht, weshalb. Jetzt, da ich dich habe, ist es mir klar. Ich fürchtete, enttäuscht zu werden. Neben dir muss auch eine Göttin verblassen.«
Misstrauisch
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