Feuer der Götter: Roman (German Edition)
bestätigte sie zähneknirschend.
Gemeinsam zogen sie den Käfig aus dem Wasserloch. Haltsuchend krallte Royia die Finger in das metallene Geflecht. »Der Priester?«, rief er. »Redest du von einem Toxinacen?«
Niemand gab ihm Antwort. Der Alte führte ein zottiges Tier heran, auf das die drei Menschen den Käfig hievten. Der feiste Riese knüpfte ihn an einem Geschirr fest, das um die Brust des Tieres lag. Dann schlug er mit einem Stock auf das Hinterteil. Schaukelnd setzte es sich in Bewegung. Royia hätte in dem engen Käfig ohnehin nicht stehen können; so aber konnte er kaum mehr, als auf der Seite zu kauern und sich am Geflecht festzuhalten.
Die junge Frau lief an seiner Seite. Ihr Gesichtsausdruck blieb verkniffen, wenn sie zu ihm aufsah.
»Der Priester«, drängte er. »Wer ist das?«
Finster schoben sich ihre dichten Brauen gegeneinander. »Er heißt Tlepau Aq. Mehr weiß ich nicht.«
»Woher auch?«, warf der zottelhaarige Riese ein, der das Tier am Zügel führte. »Die Priester leben in ihrem Tempel und haben keinen Blick für einfaches Volk wie uns. Sie tun nichts anderes, als um ihre vierzehn Altäre zu schreiten und Tierblut zu opfern. Gelegentlich auch Menschenblut. Womöglich lässt man uns gar nicht zu ihnen, und wenn wir zehnmal sagen, dass wir den Feuerdämon haben.« Lachend ließ er den Rohrstock durch die Luft pfeifen.
»Ohne meine Belohnung gehe ich da nicht weg!«, schnaubte das Mädchen.
»Ja, ja, sie werden uns mit Silberringen und Edelsteinen überschütten, bis nur noch unsere Scheitel herausschauen.«
»Uns? Mich!«
Royia achtete nicht mehr auf das Gezänk. Er versuchte aus dem Gehörten schlau zu werden. Auch die Stadtmenschen verehrten den Gott-Einen und seine vierzehn Götter, das wusste er. Waren die Toxinacen auch die hiesigen Priester? Er konnte es sich nicht vorstellen. Das hätte ihm Xocehe irgendwann einmal erzählt. Davon abgesehen, dass das Waldvolk und das Stadtvolk einander hassten.
Aber alles ist möglich, dachte er düster, sich der seltsamen Botschaft, dass das Leben im Licht eine Lüge sei, und Ajas Tod entsinnend. Dass er zum Gejagten wurde, hätte er sich bis vor kurzem nicht träumen lassen. Völlig überrumpelt von seiner eigenen Tat, hatte er über dem toten Priester gekauert, bis ein anderer ihn entdeckt hatte. Der hatte nicht entsetzt reagiert. Nein, ganz ruhig war er ein paar Schritte rückwärts gegangen und hatte nach den Wächtern gerufen. Mit einem ebenso kalten Ausdruck in den Augen wie jene, die Aja geschändet hatten.
Als hätte er gewusst, dass dies einmal geschehen musste.
Und Royia hatte sich gefragt, ob sie ihm nicht ebenso kalt und leidenschaftslos die Haut vom Leibe ziehen würden. Der ruhige Befehl an die Wächter hallte noch in seinem Ohr.
Tötet ihn. Vergesst, dass er erwählt ist. Tötet ihn.
Bis er aus dem Baum der Verehrung herausgekommen war, hatte er drei Wächter und einen weiteren Toxinacen erschossen. Die nächsten Tage hatte er sich durch den Wald geschlagen, um in die Stadt zu flüchten – kaum mehr als eine Verzweiflungstat. Wem konnte er trauen? Vielleicht nicht einmal Xocehe. Xocehe, in deren Armen er noch vor wenigen Tagen gelegen hatte. Die unter ihm lustvoll gestöhnt und die später vor all den Toxinacen seine Stirn geküsst hatte. Und er hatte sie zeit seines Lebens gekannt. Diese drei Stadtmenschen jedoch, sie waren so fremd wie das Tier, auf dessen Rücken er schaukelte.
Dicht über dem Boden, kein Baum in der Nähe – es bereitete ihm Übelkeit. Rechts und links des breiten, staubigen Weges reihten sich palmblattgedeckte Hütten aus Schilfrohr aneinander. Zerrissene Vorhänge flatterten vor den schiefen Eingängen. Davor hockten Frauen an Kochfeuern, rührten in Kesseln, hackten Fleisch oder wälzten Manoqmehlklumpen auf flachen Steinen. Nackte, schmutzige Kinder rannten hin und her, schleppten Körbe oder molken Ziegen. Sie alle unterbrachen ihr Gekreisch und Geschnatter, sahen auf, starrten Royia und seinen Menschentöter an, der sich unbeeindruckt von dem fremden Ort das dreckige Wasser von den Fühlern putzte, und senkten wieder die Köpfe über ihren Tätigkeiten. Mancher fasste sich ins Gesicht, über die Feuerzeichnung staunend. Mancher schrie auf und deutete auf ihn. Näherte sich ein neugieriges Kind, scheuchte es der fette Riese mit einem Stockhieb fort. So ging es eine endlose Zeit. Die Hütten wichen erst mehrstöckigen, dichtgedrängten Häusern aus Holz, die allesamt aussahen, als würden sie
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