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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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der ihm noch in der Nase steckte, machte ihn schwach. Auch dieser düstere Unterwald. Sollte er noch einmal in die Stadt?
    Welche Möglichkeiten hatte er überhaupt noch?
    Zuerst musste er hinauf in die Bäume. Hier unten konnte er nicht nachdenken. Er streckte die Hand nach dem nächsten Baum aus, berührte die Rinde, ertastete die Kräfte, die dicht unter der Oberfläche dahinflossen. Aber dieser Baum war nur ein dünner, sich vielfach verzweigender Memecuce. Dort hinten begann eine verheißungsvolle Reihe riesiger Anguas; dort würde er …
    »Gib mir den Dolch zurück!«
    Er blickte über die Schulter. Die junge Stadtfrau stand auf den Füßen. Leicht vorgebeugt – nicht aus Erschöpfung, sondern weil sie ihn fürchtete. Als er einen Schritt auf sie zu machte, zuckte sie zurück.
    »Wirf ihn mir her, los!«
    Stattdessen schob er den Dolch in den Bund des Schurzes, den man ihm im Tempel um die Hüften gewunden hatte. »Du wolltest mich töten.«
    »Woher – woher willst du das wissen?«, stritt sie ab. »Du warst bewusstlos.«
    »Nicht ganz, nur ziemlich benommen.«
    »Ich wollte dich nicht töten!« Es klang eher danach, als würde sie es liebend gern ein zweites Mal versuchen.
    »Ach ja? Mit beiden Händen hast du den Dolch geführt. Ich habe es gesehen.«
    »Das lag an der Palmnussdroge. Ohne dieses Zeug hätte ich das niemals über mich gebracht. Nicht einmal bei dir, obwohl du den Tod ja verdienst!« Diesmal klang ihre Stimme eher kläglich. Eine dicke Mücke schwirrte vor ihren Augen. Sie schlug nach ihr.
    »Ja, ich weiß. Du hasst mich.« Er wusste zwar nicht, weshalb, aber er sagte sich, dass es ihm gleich sein konnte, was eine Städterin über ihn dachte.
    »So ist es!«, fauchte sie.
    »Gut.« Er wandte sich um und hielt auf den größten der Baumriesen zu.
    »Warte! Wo ist die Stadt?«
    Diesmal drehte er sich nicht um. »Das fragst du mich? Du bist der Stadtmensch von uns beiden.«
    Hinter ihm raschelten die Bodenfarne. »Jetzt warte doch! Ich kann sie nicht sehen; sie scheint ganz weit weg zu sein. Aber das stimmt nicht, mir versperrt nur dieser verfluchte Wald die Sicht. Wo muss ich hin?«
    »Hörst du nicht den Fluss rauschen? Hinter dem Fluss ist die Stadt.«
    »Ich kann nicht sagen, ob das Rauschen von vorne oder hinten oder von oben oder unten kommt!«
    Nun war sie wieder zornig. Aus Furcht diesmal. Plötzlich wurde das Rascheln lauter; er spürte eine Berührung an der Hüfte.
    Er fuhr herum, riss seine Rechte hoch – und ließ sie wieder sinken. Sein Menschentöter war ja verbrannt. Er selbst hatte ihn vernichtet, als er von dem Tempelwächter mit der bronzenen Schlinge bedroht worden war.
    Aber es war nur die Frau. Mit beiden Händen streckte sie den Dolch vor, den sie ihm aus dem Bund gezogen hatte, und wich zurück.
    »Du bist schnell und geschickt«, sagte er anerkennend. Und ich bin schwach, dass ich ihn mir fortnehmen lasse. »Allerdings brauchst du die Waffe nicht. Ich schon.«
    Er machte einen Schritt auf sie zu. Sie duckte sich und riss die Klinge hoch.
    »Sag mir, wo die Stadt ist«, sagte sie mit dunkler Stimme, die wohl einschüchternd wirken sollte.
    »Ich weiß es nicht.«
    Und damit wandte er sich ab; er hatte genug von diesem giftigen Stadtwesen. Sollte sie den Dolch behalten. Er würde sich einen Menschentöter suchen, auch wenn das nicht leicht war. Zuerst musste er vom Boden weg. Hinauf in die Baumkronen, hinauf ins Licht. Hier unten war es wie in der Unterwelt, erdrückend, heiß, hässlich und ohne Leben.
    Ohne Leben? Dort bewegte sich der schlammige Grund, Modergestank aufwühlend.
    Royia sprang an den mannshohen Stützwurzeln des Baumriesen hoch. Schon begann er sich besser zu fühlen. Das Pochen der Dornwunde im Rücken ließ jedoch nicht nach.
    Er brauchte Antworten. Warum musste Aja sterben, und warum hat man sie so grausam misshandelt? Wie kann es sein, dass da einer behauptet, das Leben im Licht auf dem Berg der Götter sei eine Lüge? Und hängt beides zusammen?
    Aber wen sollte er fragen? Einen Toxinacen müsste er zum Reden zwingen, ihm einen Menschentöter dicht vor die Augen halten. Aber an einen Priester kam er nicht heran. Dazu müsste er zum Baum der Verehrung zurück, und der war jetzt zweifellos scharf bewacht. Die ganze Gegend um den Berg sollte er besser meiden. Am sichersten wäre es, dicht am Fluss in die entlegensten Gebiete des Waldes vorzudringen. Irgendwohin, wo keines Jägers Fuß die Baumrinden je berührt hatte. Aber dort würde er keine

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