Feuer der Götter: Roman (German Edition)
nicht, wenn man wehrlos war. Oft hatte sie sich tief ins Boot ducken müssen, weil eine Ratatoq durchs Wasser glitt. Einmal meinte sie sogar das gefleckte Fell einer riesigen Cijac hoch oben im Geäst zu sehen. Der Hunger hatte sie geplagt, und den Durst hatte sie nur mit dem brackigen Flusswasser löschen können. Trotz allem – sie war dem Wald ohne größere Blessuren entkommen.
Naave machte eine matte Handbewegung, als ließe sich damit zusammenfassen, was sie erlebt hatte. »Lass mich erst zur Besinnung kommen, ja? Seit der Dämon hier aufgetaucht ist, fühle ich mich, als hätte man mich in einen Topf gesteckt und durchgeschüttelt. Ich stinke schlimm, oder?«
Machiqa grinste. »Man sollte dich tagelang in Mooskrautwasser einweichen.«
Naave wies auf das armselige Stück Brot vor sich auf dem Tisch. »Läuft dein Geschäft jetzt so schlecht?«
Die Hure winkte ab. »Es gäbe genug Männer, die noch zu mir wollen, auch ohne dass es Rauschtrank dazu gibt. Aber ich bin ja jetzt allein; da wage ich nur denen die Tür zu öffnen, die ich gut kenne. Und die sind allesamt aus dem Graben und können wenig zahlen.«
»Warum bist du nicht mit Tzozic gegangen?«
»Sieh mich doch an!« Machiqa wies mit beiden Händen auf sich. »Ich bin ihm nicht mehr gut genug.« Ihre Brüste unter dem fadenscheinigen Kleid, dessen aufgemalte Blüten verblasst waren, wirkten eher wie Schläuche, und ihre Hüften waren unförmig geworden. Von ihren herausgeschlagenen Zähnen und ihrer einstmals gebrochenen Nase konnte auch das leuchtende Rot nicht ablenken, mit dem alle Huren der Stadt ihre Haare färben mussten. »Die feinen Leute wollen junges, festes Fleisch. Und die Rote Yaia – diese Hure sticht jede aus. Bei Tzozic verkehren sogar die Yioscalos. Glaubst du, ich hätte in einem Haus irgendetwas verloren, in dem die mächtigste Familie der Stadt ein und aus geht? Du dagegen, du könntest etwas aus dir machen, wenn du dich baden und gut kleiden würdest.«
Naave schüttelte entsetzt den Kopf, und Machiqa winkte ab.
»Allerdings wäre sein Haus auch nicht der rechte Ort für dich. Er würde dich nicht dulden, wie gesagt, sondern eher über dem Feuer rösten. Maqo hat er fortgejagt. Der bettelt jetzt in der Stadt.«
»Tique!«, rief Naave. »Tzozic ist ein Scheusal!«
»Aber da erzählst du ja nichts Neues, nicht wahr? Meinetwegen könnte Maqo noch hier wohnen, aber hier wirft ihm keiner einen Kupferring in die Bettelschale.« Machiqa gähnte. »Ich lege mich noch ein wenig schlafen; die letzte Nacht war lang. Du könntest ein wenig aufräumen und ein paar Fische fangen. Dein Kanu ist im Schuppen. Tzozic hat es dort abgelegt, als du den Feuerdämon herbrachtest. In irgendeinem Topf ist noch ein Klumpen Fett; ich brate sie später, und dann hätten wir etwas Anständiges im Magen, hm?«
Dazu war Naave viel zu müde. Die Reise auf dem holprigen Karren war anstrengend gewesen, und sie sehnte sich nach dem Fluss, aber nur, um sich hineinzuwerfen und von dem erfrischenden Wasser tragen zu lassen … Mehr noch sehnte sie sich nach einem der Badeteiche, die es in den Gärten des Sonnenviertels gab. Sie hatte nicht all diese Mühen und Gefahren durchgemacht, nur um hier in diesem von allen Göttern verlassenen Gasthaus zu landen.
»Wo ist das Goldene Axot? «, fragte sie.
Machiqa musterte sie aus zusammengekniffenen Lidern. »Du kannst es einfach nicht lassen, den Schwierigkeiten hinterherzulaufen, hm? Wie du willst; ich hindere dich nicht daran. Wenn du auf den großen Marktplatz vor dem Tempel gelangst, ist doch linker Hand der Laden für Opfergaben. Die Gasse daneben gehst du ein Stück hinein, dann siehst du schon das Schild mit dem Axot. Aber er wird dich hochkantig hinauswerfen, wenn er dich sieht.«
Er wird mich gar nicht sehen, dachte Naave.
• • •
Sie kämpfte darum, nicht zu niesen. Der scharfe Duft des Papaccikrauts kitzelte in ihrer Nase. Warum nur musste Tzozic ein Haus kaufen, das von dieser Zierpflanze umwuchert war? Wenigstens erlaubte ihr das Gewächs, zu dem einzigen Fenster im zweiten Stock hinaufzuklettern, dessen Schilfrohrmatte nicht ganz heruntergelassen war. Andererseits erschwerte es auch den Aufstieg, denn ständig musste Naave innehalten, wenn die Blätter raschelten oder die Zweige unter ihren Zehen knarrten. Dann wartete sie mit angehaltenem Atem, ob jemand aufmerksam geworden war.
Aber es war spät in der Nacht und der Herr des Hauses hoffentlich todmüde, nachdem die letzten Zecher in ihre
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