Feuer der Götter: Roman (German Edition)
an.
»Tatsächlich, die freche Naave. Wo hast du denn gesteckt?«
Statt einer Antwort warf sich Naave in ihre Arme. Es tat so gut, eine vertraute Gestalt wiederzusehen.
Unbeholfen klopfte ihr die Hure auf den Rücken. »Du bist doch sonst so stachlig? Na, komm herein.«
Naave betrat das verwinkelte, jetzt düstere Gasthaus und sah sich um. Alles war, wie sie es in Erinnerung hatte: die aus Schilfrohrbündeln und Flusslehmziegeln gefertigten Tische und Bänke, die gemauerte Herdstelle mit dem breiten Rand, auf dem allerlei Körbe aufgereiht standen, dahinter an der Wand riesige Pfannen und Töpfe. Aber die Körbe, dunkel und klebrig von dem beständigen Fettregen, waren leer, ebenso das Regal an der Seite, in dem die Tonflaschen und Kalebassen mit Rauschtränken gestanden hatten.
Ihr dämmerte, was geschehen war. Machiqa nickte. »Ja. Weg ist er. Kam mit einem Haufen Schätze zurück, und zwei Tage später war er fort. Hat mitten in der Stadt ein neues Gasthaus eröffnet, wo seine Fischgerichte so teuer sind, dass nur reiche Leute bei ihm einkehren können.«
»Aber wer fängt ihm denn die Fische?« Eine dumme Frage, merkte Naave, noch als sie sie aussprach. Hatte sie etwa geglaubt, nur sie sei fähig, Felsentaucher zu fangen?
Machiqa zuckte mit den Achseln. »Im Goldenen Axot tischt er die seltsamsten Gerichte auf, hörte ich. Die Reichen lieben es, wenn das gebratene Fleisch in Honig ertränkt und mit Goldstaub bepudert wird. Da ist es vielleicht nicht so wichtig, ob es ein Felsentaucher oder ein Flussgründler ist.«
Naave entsann sich des gebratenen Vogels auf dem Tisch des Hohen Priesters, dem man das Gefieder wieder aufgesteckt hatte. »Im … Goldenen Axot? Das hat er also aus unserer Belohnung gemacht? Ich hoffe, er hat noch genug übrig, um mir meinen Anteil zu geben!«
»Finde dich damit ab, dass du leer ausgehst. Er meinte, wenn du jemals bei ihm auftauchst und irgendeine Forderung stellst, brät er dich am Spieß.«
Tränen des Zorns traten in Naaves Augen. Sie ärgerte sich über ihre Dummheit, angenommen zu haben, Tzozic säße noch hier in diesem baufälligen Schuppen auf all den kostbaren Kleidern, Bronzegefäßen, silbernen Geldringen und was es sonst noch gewesen sein mochte, das er auf seinem Karren fortgebracht hatte.
Machiqa tätschelte ihre Schulter. »Setz dich erst einmal und erzähl, was dir passiert ist. Wir glaubten dich tot!« Kurzerhand schob sie Naave an einen der Tische. Dann holte sie aus irgendeiner Ecke einen Krug und zwei zerbeulte Kupferbecher und setzte sich ihr gegenüber. »Einer der Gäste hat behauptet, dich auf der Opferbrücke gesehen zu haben, aber Tzozic war darüber so wütend, dass er ihm einen Kinnhaken verpasste und ihn hinauswarf. Er meinte, du lebst und keiner solle das Gegenteil behaupten. Wir dachten, na, so was, da hat der Grobian auf seine alten Tage anscheinend sein schlechtes Gewissen entdeckt. Wo warst du?«
»Im Großen Wald. « Mit dem Daumen deutete Naave in Richtung des Flusses, und der Hure fiel das Kinn hinunter.
»Allein?«
Naave schüttelte den gesenkten Kopf. Wie sollte sie das erklären? »Der Feuerdämon, den wir zum Tempel brachten – er hatte mich in den Wald entführt.«
»Der Feuerdämon? Und – und da lebst du noch?«
»Wie du siehst.« Naave lächelte schief. Bitte frag nicht weiter, flehte sie Machiqa im Stillen an. Ich kann nicht von Royia erzählen.
Allein an ihn zu denken, tat weh. Es gab nur einen Ort, wo sie ihn aus dem Kopf bekommen könnte: im Sonnenviertel. Dort würde alles neu, alles anders sein. Im gleichen Augenblick begann ihr der Magen zu knurren, als gierte alles in ihr nach diesem neuen Leben, das ihr zustand. Sie grub die Fingernägel in die Handflächen, um sich mit einem anderen Schmerz von Tzozics Betrug abzulenken.
»Du zitterst ja«, sagte Machiqa. »Und du hast Hunger. Warte einen Augenblick.« Sie eilte in einen Nebenraum und kam mit einem Topf zurück, aus dem sie altbackenes Manoqbrot zutage förderte. »So, und wie bist du dem Dämon entkommen? Du hast ja gar keine Brandwunden? Und dann hast du dich ganz allein hierher zurückgeschlagen? Das ist ja unglaublich!«
Ja, das war es. Sie war durch das Unterholz gelaufen, durch eine Schlucht gewatet und unter einem Wasserfall hindurchgelaufen; dann hatte sie Kanus gefunden und eines ins Wasser gezogen. Dann war sie mit der Strömung gerudert. Es war nicht so leicht gewesen, wie es auf der Karte in Muhuatls Baumhütte ausgesehen hatte. Schon gar
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