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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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kräftiger, mit Dolchen und Messern bewaffneter Mann saß davor auf dem Boden und atmete den Rauch brennender Cupalblätter ein, die er sich in einer Kupferschale vor die Nase hielt. Der Hund an seiner Seite sprang auf und knurrte, doch er schlug ihm auf die Nase und begrüßte die Düsteren mit einer knappen Handbewegung. Sie legten die Packen vor ihm ab und schnürten sie auf. Er prüfte den Inhalt, wühlte in Fellen, ließ Samen durch die Finger rieseln und biss in getrocknete Fleischstreifen, ohne die qualmende Schale aus der Hand zu legen. Die Herrin der Düsteren ging ihm gegenüber in die Hocke. Die beiden verständigten sich mit knappen Worten und Gesten, denen Naave entnahm, dass er die Sachen auf den Stadtmärkten losschlagen wollte.
    »Nachher kommt mein Bruder und löst mich hier ab«, erklärte er. »Dann breche ich auf.«
    Einen solchen Wächter gab es auch an dem Totensumpf, den Naave kannte; er sollte verhindern, dass Grabbeigaben gestohlen wurden. Totendiebe – sie waren gelegentlich in Tzozics Gasthaus aufgetaucht und hatten Silbermasken für Essen und Rauschtränke angeboten. Naave hatte selbst einmal gesehen, wie Tzozic einem Totendieb sein Fleischmesser ins Gesäß gerammt hatte, damit keiner mehr auf den Gedanken kam, es bei ihm zu versuchen.
    »Die da will in die Stadt«, die Herrin der Düsteren deutete auf Naave. Der Wächter widmete Naave nur einen kurzen Blick und nickte.
    Es folgte ein gemeinsames Mahl, um den Handel zu besiegeln. Zu diesem Zweck kamen eine Frau und ein Kind aus der Hütte und brachten Körbe mit Manoqfladen, getrocknetem Gemüse und einer Schale mit Öl. Auch die Cupalschale wurde herumgereicht; jeder sog tief den würzigen Duft ein. Es war deutlich, dass man nichts miteinander anzufangen wusste, denn man schwieg oder redete nur mit seinesgleichen. Trotzdem herrschte ein gewisser Respekt. So geht es also auch, dachte Naave, die ihren Fladen in das Öl tunkte und aß. Städter und Waldmenschen müssen einander nicht hassen.
    Die Sonne stand hoch, als der Bruder des Wächters ankam. Sie luden alles auf einen Karren, den ein zotteliger Ochse zog, und der Mann, der zuvor am Totensumpf Wache gehalten hatte, machte sich sofort auf den Weg. Naave verabschiedete sich von den seltsamen Leuten, von denen nur Yijma Bedauern über ihren Fortgang zeigte; dann ging es über die verschlungenen Stege hinweg in westliche Richtung. Sie lief neben dem Ochsen her und durfte, wenn sie müde war, auf dem Karren zwischen all den Packen Platz nehmen. »Drei Tage werden wir brauchen«, bestätigte der Mann ihre Schätzung. Es waren die einzigen Worte, die er an sie richtete.
    Der Karren rumpelte an lichten Palmenwäldchen, Obsthainen und ausgedehnten Feldern vorbei. Überall waren Arbeiter beschäftigt, Nüsse und Früchte zu ernten oder den mannshohen Cupal zu schneiden. Sie sah weidende Almaras, meckernde Ziegen, blökende Schafherden und Gärten, in denen sich kleine Käfige mit Strauchschweinchen stapelten. Ein Ochse trottete gemächlich in seinem Geschirr, um einen Mühlstein zu drehen. Falken kreisten im gleißenden Sonnenlicht. Und über allem schwebten die mächtigen Tempeltürme in der Ferne. Naaves Herz schlug schneller vor Aufregung. Ihr war, als sei sie nicht bloß einige Tage, sondern mehrere Monde fort gewesen. Sie freute sich sogar auf Tzozics Anblick, obwohl der ihr wohl ebenfalls ein Messer in den Hintern rammen würde, sobald er hörte, was sie von ihm wollte.

III. Durch die Stadt
    12.
    N aave presste das Ohr an die Tür des Wirtshauses. Kein Gelächter angetrunkener Gäste war zu hören, kein Grölen und schon gar nicht Tzozics allgegenwärtiges Herumpoltern. Nur das hölzerne Axotschild knarrte im Wind, der vom Fluss heraufwehte. Die Mittagszeit war längst vorüber; warum hatte das Fliegende Axot noch geschlossen? Naave schlug mit der Faust gegen die Tür.
    Von oben hörte sie das Knarren einer Schilfrohrmatte, die vor dem Fenster hochgerollt wurde.
    »Ich mache erst zur Dämmerung auf!«, rief eine Stimme herunter, dunkel von zu viel Cupalrauch.
    »Machiqa!« Naave legte den Kopf in den Nacken und winkte. »Ich bin’s!«
    »Naave? Naave! Bei allen vierzehn Göttern! Warte, ich mache dir auf.«
    Die Schankhure ließ die Matte fallen, und Naave hörte sie so schnell die ausgetretenen Stufen herunterstapfen, dass das verwinkelte Haus bebte. Ein Bronzeriegel wurde scheppernd zurückgezogen, und die Tür schwang auf. Die Hure starrte sie von oben bis unten

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