Feuer der Leidenschaft
Zehenspitzen und berührte seine Lippen rasch mit ihren, worauf sie sich noch schneller wieder einen Schritt von ihm entfernte. Sie legte den Fächer, den sie vor zwei Tagen gekauft hatte, auf einen Tisch zurück und studierte Kenneths Geschenk dann genauer. Obwohl von Hand bemalte Fächer keine Seltenheit waren und zum Sortiment eines jeden guten Modegeschäfts gehörten, war dieser Fächer doch etwas Außergewöhnliches. »Eure Wasserf arbentechnik ist wirklich hervorragend. Ihr versteht es, die Farben so zu vermischen und ineinander verlaufen zu lassen, daß die Transparenz dieses Mediums voll zur Geltung kommt.«
»Das Bemalen des Fächers war für mich eine willkommene Ablenkung von den Problemen, die ich mit den Ölfarben habe«, sagte er ein wenig kleinlaut.
»Wenn Ihr zu dem Entschluß kommen solltet, die Ölmalerei aufzugeben, weil sie Euch nicht liegt, könntet Ihr Euch als Aquarellmaler einen Namen machen. Denn auch Aquarelle können bei der Akademie für die jährlich stattfindenden Ausstellungen eingereicht werden.«
Er sah überrascht aus. »Das wußte ich nicht. Ich habe noch nie eine von diesen Ausstellungen besucht.«
Sie klappte den Fächer wieder zusammen und schob die Schlaufe der daran befestigten Schnur über das Handgelenk. »Ihr solltet ein paar von Euren Aquarellen einschicken, damit sie ausgestellt werden.«
»Ich kann doch unmöglich etwas von meinen Sachen der Royal Academy vorstellen!«
»Aber ganz bestimmt könnt Ihr das«, gab sie energisch zur Antwort.
Er blickte sie noch immer ganz verdattert an, als das Geräusch von klappernden Hufen und rasselnden Rädern von der Straße her zu ihnen drang. Sichtlich erleichtert trat er ans Fenster und zog dort einen der Vorhänge zurück. »Die Kenyons sind hier. Es wird Zeit, daß wir gehen.«
Er nahm ihren Umhang und hielt ihn ihr hin, so daß sie sich nur umzudrehen brauchte und er ihn ihr um die Schultern legen konnte. Sie sehnte sich in diesem Moment, als sie seinen warmen, festen Körper hinter sich spürte, danach, sich zurückzulehnen. Dann würde er seine Arme um sie legen und ihr vielleicht sogar einen Kuß auf den Nacken geben …
Ein wenig atemlos sagte sie: »Es muß sehr bequem sein, einen Herzog zum Bruder zu haben. Michael und Catherine können alle Annehmlichkeiten von Ashbur-ton House genießen, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen.«
»Es ist nicht nur bequem - in diesem Fall ist es sogar ein kleines Wunder.« Kenneth legte sich seinen Mantel um und hielt ihr dann die Salontür auf. »Solange ich Michael kenne, war er seiner Familie genauso entfremdet wie ich meiner — sogar noch schlimmer, da ich regelmäßig mit meiner Schwester korrespondiert habe. Es ist seinem Bruder Stephen hoch anzurechnen, daß er sofort Schritte unternahm, diesen Bruch zu kitten, als er im letzten Jahr den Herzogtitel erbte.«
Sie fand diese Geschichte interessant. Bestand vielleicht auch eine Chance, daß die Fehde zwischen ihrem Vater und dessen älterem Bruder ebenfalls beendet werden konnte? Vermutlich nicht. Lord Bowden würde da den ersten Zug machen müssen, und er gehörte offensichtlich nicht zu jener Sorte von Menschen, die verzeihen konnten. Mit einem Seufzer trat sie hinaus auf die Straße, wo die Kutsche sie bereits erwartete. Es gab zu viele Fehden auf der Welt.
So ein Ball war ein prachtvolles visuelles Ereignis. Diese sich im glänzenden Lack der Kutschen spiegelnden Lichter, diese unzähligen, die Nacht erhellenden Fak-keln, dieser Schimmer auf den reichen, kostbaren Stoffen.
Unglücklicherweise war der Drang, zu flüchten, in Rebecca genauso groß wie das Staunen, mit dem sie das alles in sich aufnahm. Sie fühlte sich von den Geräuschen und Bildern, die _sie umgaben, überwältigt. Sie war zwar nüchtern genug, sich zu sagen, daß nur wenige Leute hier ihre Gegenwart bemerken oder dieser Tatsache Beachtung schenken würden, aber trotzdem krampf-te sich ihre Hand um Kenneths Arm, als sie sich zur Begrüßung der Gastgeber in die Schlange der Gäste einreihten. Sie hatte eine Aversion gegen Menschenmassen. Sie haßte sie.
Vor ihr begrüßten Michael und Catherine gerade die beiden Candovers. Rebecca erkannte den Gastgeber und die Gastgeberin sofort, als sie die beiden sah, da ihr Vater erst vor kurzem ein Porträt von ihnen gemalt hatte: der Herzog groß, dunkel und achtunggebietend; und neben ihm seine reizende blonde Gemahlin, die es fertigbrachte, Lebhaftigkeit mit standesgemäßer Würde zu verbinden.
Als die
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