Feuer der Leidenschaft
Vertrauen gegeben. Ihr Körper erinnerte sich nun nicht nur an die Schritte, die sie vor Jahren gelernt hatte, sondern hatte auch ein unausgesprochenes Vergnügen an dem Rhythmus und an den Bewegungen des Tanzes. Auch fand sie, daß Kenneth für jemanden, der erklärtermaßen eine große Aversion gegen Bälle hatte, ungewöhnlich gut tanzen konnte. Ja, dieses Ereignis würde ein Erfolg werden.
Ihre Ecke des Ballsaals entwickelte sich nun zu einer Versammlungsstätte. Die Kenyons kamen mit ihren Freunden dorthin, um diese ihr und Kenneth vorzustellen.
Sie lernte nun die beiden identisch aussehenden gräflichen Zwillingsschwestern und deren gutaussehende Ehemänner kennen; eine kleine, exotisch aussehende Amerikanerin, die mit einem geradezu unverschämt charmanten blonden Mann verheiratet war, den Kenneth auf der iberischen Halbinsel kennengelernt hatte; einen dunkelhaarigen, zigeunerartigen Grafen und dessen heitere, flachsfarbene Gattin und viele andere Gäste, die ihren Vater kannten und seine Arbeiten sehr schätzten.
Sie tanzte mit den Männern und lachte mit den Frauen, sich nur zu deutlich bewußt, daß deren Wärme sie gleichsam mit einem schützenden Kokon umgaben. Und daß sie das alles Kenneth und dessen Bitte an Michael zu verdanken hatte, ihm ihretwegen zu helfen. Sie hatte nicht geahnt, wie groß das Geschenk sein würde, das er ihr damit machte.
Nach einem Reel, den sie mit Michael getanzt hatte, fächelte sie sich mit ihrem Fächer Kühlung zu und plauderte mit ihrem Partner, während sie darauf wartete, daß Kenneth von seinem Tanz mit Catherine an seinen Platz zurückkam. In diesem Moment näherte sich Lord Strathmore, einer von Michaels Freunden, mit einem jungen Mann im Schlepptau. »Ich wurde gebeten, eine Vorstellung zu machen«, erklärte er.
Sie lächelte ermunternd und fragte sich, ob sie vielleicht eine Eroberung gemacht hatte. Nicht, daß es etwa ihre Absicht gewesen wäre, sich hier einen Mann zu angeln -
und schon gar nicht einen, der offensichtlich viel jünger war als sie, obwohl er einen sehr angenehmen Eindruck auf sie machte.
»Miss Rebecca Seaton«, fuhr Strathmore fort, »darf ich Euch mit dem ehrenwerten Henry Seaton bekannt machen?«
»Gütiger Himmel«, rief sie, »sind wir beide etwa miteinander verwandt?«
»Ich bin Euer Vetter Hai«, erwiderte der junge Mann mit einem gewinnenden Lächeln. »Lord Bowdens Erbe. Nur weil unsere Väter seit undenklichen Zeiten kein Wort mehr miteinander gesprochen haben, sehe ich keinen Grund, weshalb auch wir beide verfeindet sein sollten.«
»Ich auch nicht.« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, erstaunt über ihre Freude, einen neuen Verwandten kennenzulernen. Seine kompakte Gestalt und der Schnitt seiner Züge erinnerten sie sehr an ihren Vater.
»Erst heute abend hatte ich wieder daran gedacht, wie tragisch doch Fehden zwischen blutsverwandten Familien sind.«
»Besonders eine, die so begann wie die Seaton-Feh-de«, sagte er, ihr amüsiert zublinzelnd. »Ich kann zwar verstehen, daß mein Vater sich darüber aufregte, weil ihm sein jüngerer Bruder die Verlobte abspenstig machte, aber ich bin überaus zufrieden mit der Mutter, die er sich für mich ausgesucht hat. Übrigens scheint der alte Knabe sie ebenfalls sehr zu mögen.«
Sie wußte, daß Lord Bowden verheiratet war und zwei Söhne hatte, und nach den Worten ihres Vetters zu schließen, schien es sich dabei sogar um eine sehr erfolgreiche Ehe zu handeln. Wie schade, daß das nicht ausgereicht hatte, den verletzten Stolz ihres Onkels zu heilen und ihn mit dem »Verrat« seines Bruders zu versöhnen.
»Ich glaube nicht, daß mein Onkel sich wünschen könnte, mich kennenzulernen«, sagte sie in bedauerndem Ton,
»aber vielleicht wird es mir eines Tages vergönnt sein, die Bekanntschaft von Lady Bowden zu machen.«
»Nichts leichter als das. Sie ist es nämlich gewesen, die mich losgeschickt hatte, um Euch zu suchen.« Er bot ihr seinen Arm an. »Soll ich Euch zu ihr bringen?«
Sie bat Michael, Kenneth zu sagen, wo sie hingegangen sei. Dann nahm sie den Arm ihres Vetters und begleitete ihn durch den Ballsaal, Lady Bowden saß bei einer Gruppe von älteren Frauen, stand aber sogleich auf, als sie ihren Sohn und Rebecca sich ihrem Platz nähern sah, um den beiden entgegenzukommen. Sie war sogar noch kleiner als Rebecca und man konnte sie auch nicht als Schönheit bezeichnen, wenngleich sie eine elegante Erscheinung mit feinen, ebenmäßigen Zügen und herrlichen
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