Feuer der Leidenschaft
auszusieben, die sich zweifellos auf eine Anzeige hin bei ihnen melden würden. Hoffentlich dauerte es nicht zu lange, bis jemand sich bei ihnen meldete, der den Erwartungen ihres Vaters entsprach. »Zwei von den Stellenvermittlungsbüros haben mir versprochen, uns noch heute ein paar Köche ins Haus zu schicken. Wenn wir Glück haben, ist einer darunter, der uns auch zusagt.«
Ihr Vater legte sich zwei Scheiben Schinken auf den Teller.
»Achte darauf, daß du nicht wieder so einen launischen Künstler anstellst.«
»Ich werde mein Möglichstes tun, diesen Fehler zu vermeiden«, erwiderte sie trocken. »Noch einen launischen Künstler hält dieses Haus ja gar nicht aus.«
Da zeigte ihr Vater ihr plötzlich dieses spitzbübische Lächeln, das sogar seine Feinde mit seinem anmaßenden Wesen versöhnte. »Du hast recht - zwei von meiner Sorte würde dieser Haushalt nicht vertragen können.« Er schwieg einen Moment und schaute ihr über die Schulter.
»Woran arbeitest du denn gerade?«
Sie hob den Zeichenblock an, damit ihr Vater ihn besser sehen konnte. »Es ist eine Studie zu einem von mir geplanten Gemälde, das die >Frau vom See< zum Thema haben soll. Was sagst du zu der Komposition?«
Ihr Vater studierte die Skizze. »Interessant, daß du sie halb als Nymphe und halb als Kriegerin darstellst. Mir gefällt die Weise, wie ihr Haar auf dem Wasser hintreibt, während sie das Schwert in die Höhe hebt.«
Ein hohes Lob aus dem Mund von Sir Anthony Sea-ton, der kein Taktgefühl kannte, wenn er sich kritisch zu den Werken anderer Künstler äußern sollte. Rebecca erhob sich nun vom Tisch. Sie hoffte, daß ihr Vater bald einen Sekretär fand, damit sie ihr neues Gemälde in Angriff nehmen konnte.
Rebecca hatte sich zwar vorgenommen, nur noch ein paar Minuten an ihren Studien für die >Frau vom See< zu arbeiten. Aber als sie das nächste Mal von ihrem Zeichenblock aufsah, war es bereits früher Nachmittag, und sie hatte noch immer nicht den Text für das Stellenangebot für einen Sekretär verfaßt, das sie heute hatte aufgeben wollen. Da bei den Redaktionen jedoch schon mittags Anzeigenschluß war, würde die Annonce jetzt nicht mehr in den morgigen Ausgabe erscheinen können.
Zu dumm. Aber was noch schlimmer war: sie fand ihre Konzeption von der Frau vom See unbefriedigend. Sie stand auf, streckte sich kurz, um ihre verkrampften Muskeln zu lockern, und wanderte dann mit ihrem Zeichenblock durch die Mansarde. Das Studio, das sich über den halben Speicher erstreckte, war ihr Heiligtum, das niemand ohne ihre Erlaubnis betreten durfte. Nicht einmal ihr Vater.
Sie setzte sich auf die Fensterbank und blickte hinaus ins Freie. Das Haus stand an einer Stelle, wo sich zwei Straßen kreuzten, und sie konnte von ihrem Erkerfenster aus den Verkehr, der auf beiden herrschte, gut beobachten. Sie erkannte unten auf der Hill Street zwei Bedienstete aus dem Nachbarhaus, die einen Moment lang die ihnen aufgetragenen Beschäftungen vergaßen, um miteinander zu flirten. Sie sah, wie die Magd sich verstohlen mit der Hand die Haare glättete, ehe sie kokett zu dem jungen hübschen Lakaien hochblickte.
Rebecca schlug rasch ein frisches Blatt in ihrem Skizzenblock auf, um die Wölbung des Mädchenhalses und den schelmischen Ausdruck in den Augen der Magd festzuhalten, mit dem sie den Jungen ansah. Sie nahm sich vor, eines Tages eine ganze Serie von Liebespaar-Zeichnungen anzufertigen. Vielleicht lernte sie im Verlauf dieser Arbeiten auch die Liebe ein wenig besser kennen.
Als sie von ihrer Skizze wieder aufsah, entdeckte sie einen fliegenden Händler mit seinem ramponierten, mit Obst und Gemüse beladenen Karren aus der Waverton Street kommen und unten um die Hausecke biegen. Der alte Mann mit dem wettergegerbten Gesicht war ein vertrauter Anblick in dieser Gegend. Ihr Vater hatte den Burschen schon ein paarmal von seinem Karren wegge-lockt, damit er ihm für eine Nebenfigur seiner historischen Monumentalgemälde Modell stehen sollte, und der alte Mann war entzückt gewesen, auf diese Weise >unsterblich< gemacht zu werden.
Sie wollte sich schon wieder vom Fenster wegwenden, als sie noch einen Mann sich aus der Waverton Street ihrer Hausecke nähern sah. Es war der Gang dieses Mannes, der ihre Neugierde weckte. Aufrecht, selbstbewußt, fast arrogant. Und obwohl er die Kleidung eines Gentleman trug, schien seine breite, muskulöse Gestalt eher auf einen Arbeiter hinzudeuten. Eine interessante Paradoxie.
Der Mann verhielt seinen
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