Feuer der Leidenschaft
das Zimmer kommen sah.
Kenneths Blick wanderte über das Modell hin, um sich dann auf sein Bild zu heften. So makellos bekleidet, wie sich das für einen Gentleman schickte, in der einen Hand eine Palette und in der anderen einen langen Pinsel haltend, stand Sir Anthony Seaton in der Mitte des Salons vor einer Staffelei. Seine etwas untersetzte, drahtige Gestalt und die Farbe seiner Haare erinnerten Kenneth an dessen älteren Bruder; doch er schien ein weitaus lebendigeres und bezwingenderes Wesen als dieser zu haben.
Den Neuankömmling ignorierend, fuhr Seaton fort, mit kleinen Pinselstrichen an seinem Gemälde zu arbeiten, so daß sich Kenneth leise räusperte. Ohne von seiner Leinwand aufzusehen, sagte Sir Anthony mit gereizter Stimme: »Wer, zum Teufel, seid Ihr? Und was habt Ihr in meinem Studio zu suchen?«
»Mein Name ist Kenneth Wilding. Ein Freund von Euch schickte mich her, weil er meint, daß Ihr dringend einen neuen Sekretär benötigen würdet.«
»So?« gab der Meister mit amüsierter Stimme zurück.
»Wer von meinen Freunden besitzt die ungeheure Frech-heit, Euch mit dieser Empfehlung zu mir zu schicken?
Frazier? Turner? Hampton?«
»Der Gentleman zieht es vor, anonym zu bleiben.«
»Dann ist es vermutlich Frazier gewesen.« Sir Anthony warf nun einen kurzen, abschätzenden Blick auf seinen Besucher. »Was für Qualifikationen habt Ihr. denn für diesen Posten vorzuweisen, Mr. Wilding?«
»Mir sieht er jedenfalls sehr qualifiziert aus«, meinte das Modell hier mit einem leisen Schnurren, ihren Blick auf Kenneths Lenden heftend.
»Er bewirbt sich jedoch nicht für so eine Position, Lavinia«, bemerkte der Künstler trocken. »Die Eigenschaften, die ich von einem Sekretär verlange, sind Organisationstalent, guter Stil und eine saubere Handschrift.«
Kenneth, der sich dazu entschlossen hatte, seinen Titel zu verschweigen, jedoch sonst so weit, wie ihm das möglich war, bei der Wahrheit zu bleiben, erwiderte: »Bis vor vierzehn Tagen habe ich noch als Hauptmann bei der Rifle Brigade gedient. Ich bin dort auch der Adju-tant eines Generals gewesen, so daß ich mich eines flüssigen Stils und einer leserlichen Handschrift berühmen darf.«
»Ihr beginnt, mich zu interessieren, Captain Wilding.« Sir Anthony legte Palette und Pinsel auf einem kleinen Tisch neben sich ab. »Lavinia, geh solange nach unten und trink eine Tasse Tee, während ich mich mit dem Captain unterhalte!«
Das Modell erhob sich lässig vom Sofa, legte sich eine seidene Robe um die Schultern und schritt dann so nahe an Kenneth vorbei zur Tür, daß der Saum ihrer Robe über sein Bein hinstreifte, worauf sie ihn, sich noch einmal an der Tür umdrehend, mit einem verlockenden Lächeln ansah.
Kenneth blickte ihr amüsiert nach. Das Arbeiten für einen Künstler mochte unerwartete Vorteile mit sich bringen.
Als die Tür sich hinter dem Modell geschlossen hatte, fragte Seaton: »Warum würde ein Armeeoffizier sich als Sekretär verdingen wollen?«
»Weil er Arbeit braucht«, erwiderte Kenneth knapp. »Jetzt, wo der Krieg vorbei ist, benötigt die Armee nicht mehr so viele Offiziere.«
Sir Anthonys Miene milderte sich ein wenig. »Es ist schon eine Schande, wie die Nation ihre Soldaten behandelt, die die Zivilisation vor diesem korsischen Monster gerettet haben.« Er zögerte einen Moment, während sein Blick über die breite Gestalt seines Besuchers hinwanderte, ehe er mit einem leisen Bedauern in der Stimme fortfuhr: »Ich kann jedoch unmöglich einen Sekretär anheuern, der über keinerlei Kenntnisse auf künstlerischem Gebiet verfügt.«
Kenneth war daran gewöhnt, daß die Leute ihn für einen Ignoranten zu halten pflegten, dessen Bildungsstand und Begriffsvermögen über das Mörteln von Zie-gelmauern nicht hinausreichen würden. »Ich hatte mich schon immer für die Kunst interessiert, und in den Jahren, die ich auch auf dem Kontinent weilte, das Glück gehabt, viele der dort vorhandenen Kunstwerke studieren zu können.
Die Kirchen in den Niederlanden sind ein Fest für die Augen. Ich habe mich während der Besatzungszeit auch in Paris aufgehalten. Der Louvre ist vermutlich die größte und beste Sammlung von Kunstschätzen dieser Welt gewesen, ehe die gestohlenen Meisterwerke wieder an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgeschickt wurden.«
»Das muß tatsächlich ein großartiger Anblick gewesen sein«, erwiderte Sir Anthony kopfschüttelnd. »Trotzdem kann jeder Mensch das Meer betrachten, ohne erst das Schwimmen
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