Feuer der Leidenschaft
zu studieren. Er mußte es nur noch mit einer Schicht Klarlack überziehen, und dann war es fertig. Nur schade, daß er es niemandem zeigen konnte. Es würde immer einen besonderen Platz in seinem Herzen einnehmen, und das nicht nur deswegen, weil es ihn von seiner geistigen Lähmung befreit hatte, was die Ölmalerei betraf. Sondern weil es, was noch wichtiger war — und dabei ging sein Blick kurz zu dem Bett an der Hinterwand des Raumes hin
—, Rebecca in all ihrer verführerischen Macht zeigte.
Er deckte das Bild mit einem Tuch zu und lehnte es an die Wand. Dann stellte er einen anderen Rahmen mit einer darauf gespannten Leinwand auf die Staffelei. Er hatte sie mit einer roten Grundierung versehen, um sie für das Bild vorzubereiten, das er jetzt malen mußte. Das war kein Projekt, für das er erst langwierige Vorstudien machen, Skizzen anfertigen und mit dem Bildaufbau experimentieren mußte, weil sich dieses Tableau schon vor Jahren in allen Einzelheiten seinem Geist eingebrannt hatte.
Um dem Sujet jedoch gerecht zu werden, mußte er wohl noch einmal diese seelischen Qualen, die er damals durchlitten hatte, in sich aufleben lassen. Die Technik würde kühn sein - ein einziger, leidenschaftlicher Aufschrei -, und die rote Grundierung würde diese sich an den Himmel richtende Klage mit einem zornigen Unterton versehen. Das Ergebnis würde allerdings himmelweit von diesen kühlen, in Details schwelgenden historischen Themen entfernt sein, die die Akademie so sehr schätzte. Und jeder, der dieses Bild sehen würde — Rebecca vielleicht ausgenommen —, würde sich mit Grausen davon abwenden.
Doch es war das Bild, das er malen mußte.
Er beschwor es nun wieder vor seinem inneren Auge herauf, und zugleich das Entsetzen, mit dem es ihn erfüllt hatte.
Zwar hatte er den Schock, den es ihm damals versetzt hatte, überwunden, doch die seelische Wunde, die er dabei davongetragen hatte, war nie ganz verheilt.
Tränen blinkten nun in seinen Augen, als er den Kohlestift zur Hand nahm und die Figuren zu skizzieren begann.
Kapitel 24
Ret
ebecca nahm einen besonders feinen Pinsel zur Hand und vertiefte nun die Schatten in den Augenwinkeln des Korsaren. Sie betrachtete das Resultat, wollte sie mit einem Pinselstrich noch mehr betonen, unterließ das dann aber und trat mit einem reuigen Lächeln von der Leinwand zurück. Es war leichter, ein Gemälde anzufangen, als es zu beenden. Da juckte es einen doch immer in den Fingern, noch etwas zu verbessern — war die Versuchung groß, immer weiter zu malen, bis die Perfektion, die einem vorschwebte, erreicht war. Es fiel ihr schwer, sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß es unmöglich war, dieses Ziel zu erreichen, und daß man vielmehr alles, was einem bisher gelungen war, damit verderben konnte, indem man das Unmögliche versuchte.
Sie spürte jedesmal eine Leere in sich, wenn sie eine Arbeit beendete, die sie so vollkommen in Beschlag genommen hatte wie dieses Bild. Aber zumindest bedeutete die Fertigstellung dieses Gemäldes,
daß sie jetzt nicht mehr ständig mit einer sie bis an den Rand des Wahnsinns treibenden Eindringlichkeit an Kenneth und dessen großartigen Körper denken mußte. Statt dessen würde sie jetzt höchstens noch -nun - so ungefähr zehn- oder zwölfmal am Tage an ihn denken.
Die Studiotür öffnete sich hinter ihr mit einem lauten Quietschen, und Lavinia stürmte herein.
Rebecca wirbelte herum und seufzte: »Ihr solltet Euch wirklich angewöhnen, erst anzuklopfen.«
»Das habe ich getan. Dreimal sogar. Aber Ihr habt es offenbar nicht gehört.«
»Oh, tut mir leid.« Rebecca sah zum Fenster hin. Später Nachmittag. Sie schien den Lunch versäumt zu haben.
»Hättet Ihr gern eine Tasse Tee?«
»Danke, aber so lange kann ich nicht bleiben. Ich bin nur kurz vorbeigekommen, um Euch das Kleid zu bringen, das meine Zofe für den Ball bei den Strathmores geändert hat.
Ich habe es Eurem Zimmermädchen, dieser Betsy, gegeben.
Sie scheint mir die Veranlagung zu einer echten Kammerzofe zu haben. Jedenfalls hat sie ein größeres Verständnis für Kleidermoden als Ihr, Rebecca.«
»Oh, ich bitte nochmals um Entschuldigung, aber so kurz vor Einsendeschluß geht es bei uns immer ein bißchen chaotisch zu.«
»Das habe ich bemerkt. Mit den vier großen historischen Gemälden, die Anthony bis dahin fertiggestellt haben muß, ist er nicht mehr zu genießen.« Lavinia legte den Kopf auf die Seite. »Aber warum seid Ihr denn so beschäftigt? Sagt bloß,
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