Feuer der Leidenschaft
in ein Bild übersetzt hatte. Zum Glück würden nur wenige Leute ein so scharfes Auge dafür haben wie Lavinia.
Rebecca dachte an die Nacht zurück, in der Kenneth und sie sich geliebt hatten, und spürte, wie sich wieder dieses flüssige Feuer tief in ihrem Inneren zu regen begann. Und als ihr nun wieder das Bild seines Körpers vor Augen stand, der sich über ihren schob, drehte sie sich, die Lippen zusammenpressend, von der Staffelei weg. Sie hätte nur zu gern die Vollendung dieses Gemäldes mit dem Mann gefeiert, der sie dazu inspiriert hatte. Doch sie wagte nicht, ihrem Verlangen nachzugeben, egal, wie gern sie beide die Wonnen, die sie ihnen spenden würden, genossen hätten. Dieses eine Mal, wo sie ihrer Leidenschaft gefrönt hatte, hatte ihr nicht genügt.
Aber wie leicht konnte sie süchtig werden von der Wollust, sich mit ihm zu vereinigen. Sie trübte bereits ihr Urteilsvermögen. Und wenn sie nun ein Liebespaar wurden, würde sie bald nur noch ein Spielball ihrer Gefühle sein. Und wenn sie darüber keine Kontrolle mehr hatte, würde sie selbst aufgegeben.
Nein, es war besser, wenn sie Freunde blieben. Und als seine Freundin konnte sie jetzt auch hinübergehen in sein Studio, um nachzusehen, welche Fortschritte er inzwischen mit seinem Bild gemacht hatte. Denn schließlich war morgen der letzte Tag, an dem sie ihre Bilder noch einreichen konnten. Sie durften diese Frist nicht versäumen. Nichts war jetzt wichtiger als das.
Das Klopfen an seiner Studiotür war begleitet von Rebecca Seatons Stimme, die sagte: »Ich bin es. Darf ich hineinkommen?«
»Natürlich.« Kenneth legte seine Palette beiseite und rieb sich die schmerzenden Muskeln an den Schultern, als sie in das Zimmer trat. Sie sah zum Anbeißen aus in ihrem marineblauen Kleid und dem scharlachroten Band, mit dem sie ihre Haare im Nacken zusammengebunden hatte.
Rot vertrug sich eigentlich nicht so recht mit Kastanienbraun, aber sie hatte genau die richtige Schattierung dafür ausgesucht. Er studierte die lockigen Strähnen, die sich um ihr Gesicht ringelten und die schlanke Linie ihres Halses betonten, und zwang sich nun dazu, davon fortzusehen.
»Dein Anblick tut meinen entzündeten Augen gut«, sagte er.
Sie schaute sich im Zimmer um. »Interessant, wie sehr doch unsere Studios von den Persönlichkeiten ihrer Benutzer geprägt sind. Vaters Studio ist elegant. Meines ist gemütlich. Und in deinem herrscht eine militärische Ordnung, die man zwar selten bei einem Künstler findet, die jedoch sehr nützlich ist in einem so winzigen Studio.«
Ihr amüsierter Blick kehrte nun zu ihm zurück. »Nur du siehst aus, als hättest du seit einer Woche gar nicht oder nur in deinen Kleidern geschlafen. Wie kommst du mit deinem Bild voran?«
Er dachte an die vielen anstrengenden, ihn seelisch zermürbenden Stunden, die er seit der Hochzeit seiner Schwester mit dem Malen dieser Bilder verbracht hatte.
An die Alpträume, die wieder in ihm lebendig geworden waren und kaum vernarbte Wunden wieder aufrissen.
Sich dazu entschließend, seine Bilder für sich selbst sprechen zu lassen, wenn die Zeit dafür gekommen war, sagte er: »Versäumten Schlaf kann ich nachholen, aber nicht einen geplatzten Termin, Ich bin deinem Vater unendlich dankbar dafür, daß er mit seiner eigenen Präsentation so sehr beschäftigt war, daß er meine Dienste kaum benötigte. Sonst hätte ich meine Bilder unmöglich rechtzeitig fertigstellen können.«
Sie sah zu der Staffelei hin, versuchte jedoch nicht vor diese hinzutreten, um seine Arbeit zu begutachten. Seit dem Lilith-Gemälde behandelte sie ihn eher wie einen Kollegen denn als Schüler, was ihm sicherlich gut bekam, weil es sein Selbstvertrauen stärken mußte.
»Wenn ich dich richtig verstehe, willst du also nicht nur ein, sondern gleich mehrere Gemälde einreichen?«
»Zwei - ein thematisch verwandtes Paar.« Er seufzte.
»Das erste davon ist für die Akademie sicherlich inakzeptabel, und ich weiß nicht, ob das zweite so viel besser ist. Trotzdem sagen sie beide das aus, was ich mit ihnen sagen möchte.«
»Hin und wieder überrascht uns die Akademie damit, indem sie etwas Machtvolles und Neues anerkennt. Vielleicht sind es diesmal deine Bilder, bei dem sie beides finden.« Sie zögerte einen Moment. »Laß uns doch nach dem Dinner meinen Vater bitten, sich unsere Gemälde anzuschauen. Er weiß noch immer nicht von unserer Absicht, daß wir beide vorhaben, Bilder für die diesjährige Ausstellung
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