Feuer der Rache
stimmt, und es ist mir klar, dass Ihr Mann die Männer kannte, doch kennen auch Sie die beiden?"
„Sie waren Schulfreunde meines Mannes", sagte sie, als sei damit alles klargestellt. „Die Freundschaft dauert bis heute an. Man traf sich immer wieder. Sie waren öfter hier zum Essen und wir mal bei Lorenz -das letzte Mal in seiner neuen Wohnung am Straßenbahnring in Falkenried -oder bei Eike in seiner Penthousewohnung in Bellevue. Ein toller Blick über die Alster", fügte sie hinzu.
„Sind die beiden verheiratet?", fragte Sabine.
Tanja Sandemann schüttelte den Kopf. „Lorenz war es mal ein Jahr lang -mit einer Asiatin. Hat keiner so recht verstanden. Sie passte nicht zu ihm und nicht zu uns -zu unserer Gesellschaft. Jedenfalls ging das dann, wie erwartet, schief. Eike hat seit je ständig wechselnde Freundinnen. Keiner macht sich mehr die Mühe, sie kennenzulernen. Bis zum nächsten Treffen ist eh wieder eine andere aktuell. Es sind alles blonde, langbeinige Schönheiten, und wir haben uns schon immer gefragt, wie er an die rankommt. Ich meine, so gut sieht er ja nicht aus mit seinen roten Haaren. Da ist Lorenz schon ein anderes Kaliber."
Sönke rief Eike Canderhorst von seinem Autotelefon aus in der Agentur an, um seinen Besuch anzukündigen, erfuhr jedoch von einer Assistentin, dass er bereits nach Hause gegangen sei. Der Kripobeamte sah auf seine Uhr. „Kurz vor vier. Na, solche Arbeitszeiten möchte ich auch haben."
„Dann sehen wir uns mal die schöne Aussicht über die Alster an", schlug Sabine vor.
„Jau, genau das, was ich sagen wollte."
Eine junge Frau in einem nahezu durchsichtigen, kurzen Kleid öffnete die Tür. Ihr langes Haar war hellblond gefärbt, die Augen von künstlichen Wimpern gerahmt, der Schmollmund rosa bemalt. Sabine kam sie vage bekannt vor. Hatte sie dieses Gesicht nicht auf einigen Werbeplakaten für irgendwelche Kosmetika gesehen?
„Eike, du hast Besuch!", rief sie mit nordischem Akzent. Sie bat die Kripoleute ins Wohnzimmer und stieg dann mit wiegenden Hüften die Wendeltreppe hinauf, die sich mitten im Wohnzimmer emporwand. Sabine trat an die riesige Scheibe, die die gesamte Längsseite des Zimmers einnahm und einen ungetrübten Blick über die Alster gestattete. Selbst das Balkongeländer bestand nur aus dünnen Streben mit eingelassenen Scheiben, damit nichts die Aussicht einschränken konnte.
In Sporthosen und einem lässig heraushängenden Poloshirt kam Herr Canderhorst die Wendeltreppe von dem ga-lerieartigen oberen Stock herunter, auf dem sich sicher Bad und Schlafzimmer befanden.
„Hallo, Frau Berner. Das hätte ich nicht gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen. Sie haben uns angeschwindelt. Sie sind ja doch mit dem Fall beschäftigt! Mein Eindruck war, dass Sie unsere Überlegungen nicht ernst nehmen. Umso mehr freut es mich, Sie hier zu sehen." Er gönnte Sönke nur ein kurzes Nicken. Seinen Charme versprühte er ausschließlich in Sabines Richtung.
„Ich habe heute Morgen schon mit einem Wachdienst telefoniert und eine Firma beauftragt, mir bessere Schlösser einzubauen. Sie sehen, ich höre auf Ihren Rat."
Zu Eike Canderhorsts Enttäuschung überließ Sabine dem Kollegen das Gespräch und sah sich stattdessen in dem großen, rechteckigen Raum um. Stahl und Glas herrschten vor. Der glänzende Quarzitboden trug zu der kühlen Atmosphäre bei. Wuchtige Schrankwände suchte man in dieser Wohnung sicher vergebens. Im Wohnzimmer jedenfalls gab es -neben der Sitzgarnitur -nur eine Anrichte mit Gläsern und ein paar interessant geformte Regale mit kleinen Skulpturen und einige in Silber gerahmte Fotos. Die Kommissarin betrachtete die Aufnahmen, während sie dem Gespräch lauschte. Es ging ihr vor allem um den Tonfall. War Canderhorst aufrichtig oder log er? Mindestens zweimal war sie sich sicher, dass er Sönke eine Lüge auftischte. Sie sah ihn von der Seite an und betrachtete das Mienenspiel und seine lebhafte Gestik. Wie wenig waren sich die Menschen bewusst, dass dies mehr aussagte als ihre Worte. Und auch nicht, wie viel die Wohnung über ihren Charakter verriet. Deshalb waren Sabine die Befragungen im häuslichen Umfeld lieber, obwohl das gegen die offiziellen Anweisungen verstieß, die so etwas nur in Ausnahmefällen zuließen. Der Befragte solle keinen Vorteil durch seine vertraute Umgebung haben, hieß es in den Richtlinien. Für den Beamten wäre es einfacher, bei der Gesprächsführung die Oberhand zu behalten, wenn er in seinem eigenen Revier
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