Feuer der Rache
drängten sich die Probleme wieder in den Vordergrund.
„Wenn es Ihnen hilft, Ihre Gedanken zu sortieren, dann sprechen Sie sie ruhig laut aus", forderte Frau Mascheck Sabine auf. „Wem sollte ich sie schon weitererzählen?"
Sabine warf ihr einen Blick zu.
„Über wen grübeln Sie nach? Iris und ihre Freundinnen oder die ermordeten Männer?"
„Beides, immer schön im Wechsel", seufzte die Kommissarin. „Morgen ist Freitag, und ich befürchte, dass wieder ein Mord geschehen könnte. Dann aber sage ich mir, Cander-horst und von Raitzen leiden an zu viel Fantasie. Wer würde sich die Morde an fünf miteinander befreundeten Männern vornehmen, jeden Freitag einen? Ich sage mir, einer der beiden ist eher der Mörder als das nächste Opfer! Und dennoch habe ich ein schlechtes Gefühl. Wenn es nicht zu melodramatisch klingen würde, würde ich sagen: eine Vorahnung."
Rosa Mascheck nickte, hob die letzte Masche einer Reihe ab und nahm mit der freien Nadel die nächste Runde in Angriff. „Auf Ahnungen zu hören ist in der Welt der modernen Technik unmodern geworden. Man rümpft die Nase über die Dinge, die man nicht wissenschafüich nachweisen kann. Und doch bin ich überzeugt, dass es sie gibt."
Sabine nickte. Oh ja, es gab tatsächlich einige Phänomene, die laut der Wissenschaft nicht existieren konnten. Spontan fiel ihr da der derzeitige Bewohner der Villa am Baurs Park ein, der sich demnächst aus seinem Sarg -oder worin er auch immer am Tag ruhte -erheben würde.
„Wenn ich an meine Ahnung glaube, dann müsste ich alles Mögliche in Bewegung setzen, um diese beiden Männer zu schützen. Ich habe mit meinem Kollegen telefoniert. Ihm reichen die Argumente nicht aus, um Polizeischutz zu organisieren. Soll ich mich nun Freitagnacht selbst mit der Waffe in der Hand neben sie stellen?"
Rosa Mascheck hob die Augenbrauen. „Oh, Sie haben eine Waffe?"
Sabine schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Das heißt, ich hätte meine Dienstwaffe, wenn ich im Dienst wäre."
„Also können Sie nichts für die Sicherheit der Männer tun. Und wenn die Polizei nichts unternehmen will, dann müssen sie sich eben einen privaten Dienst engagieren", sagte die alte Dame vernünftig. „Geld genug scheinen die Herren ja zu besitzen."
Sabine nickte. „Ja, das stimmt."
„Und was drückt Sie noch?", fragte sie, ohne von ihrem Strickzeug aufzusehen.
Sie liest in mir wie in einem offenen Buch, dachte Sabine, aber sie wunderte sich nicht. Sie erzählte von den Fotos der Mädchen, die sie sich immer wieder ansah, sprach von dem, was die Lehrer an den beiden Schulen ihr erzählt hatten, und von den Gedanken, die ihr dabei kamen. Dass sie vor einer Stunde Frau Jacobson in ihrem Gärtchen angetroffen hatte, sagte sie nicht. Und auch nicht, dass sie sich noch einmal vergewissert hatte, dass alle drei Freundinnen die vergangenen Freitagabende im Haus der Großmutter beim Skatspiel verbracht hatten.
„Sind Sie sicher?", drängte die Kommissarin. „Haben Sie sie gesehen?"
Frau Jacobson wirkte irritiert. „Aber ja. Sie sind doch immer freitags hier."
„Bitte denken Sie nach. Freitag, der sechzehnte April. Es war die Woche, in der Iris verschwunden ist."
Frau Jacobson schloss die Augen und stand eine Weile reglos da. Dann sah sie die Kommissarin an.
„Sie kamen wie immer zum Abendessen. Ich konnte nichts zu mir nehmen, ich machte mir solche Sorgen. Die Mädchen verschwanden dann nach oben. Bald schon konnte ich sie lachen hören und dachte, welch ein Segen ist dieses Spiel, das sie für eine Weile von ihren Sorgen befreit. Ich habe sie fast ein wenig beneidet. Später kam Carmen runter, um noch ein paar Brote zu schmieren. Sie hat mir einen Tee gekocht, das liebe Ding."
„Wann war das?"
„Kurz vor elf. Ich hatte gerade die Tagesthemen angesehen und bin dann mit meinem Tee ins Bett. Die Mädchen müssen noch länger gespielt haben, denn ich hörte ihre Stimmen. Ich schlief sehr schlecht in dieser Nacht, müssen Sie wissen."
Sabine nickte. „Verständlich. Und die Woche danach? Das war der dreiundzwanzigste April."
Es dauerte eine Weile, ehe Frau Jacobson antwortete. „Ich weiß nicht mehr genau. Maike kam mal runter, um mich zu fragen, ob ich etwas brauchte, aber ich kann nicht mehr sagen, um wie viel Uhr es war. Ich fühlte mich wie erstarrt. Ich dachte, glaube ich, dass es nicht recht ist, weiterzumachen wie bisher, wo doch von Iris immer noch jede Spur fehlte. Ja, ich glaube, ich war ein wenig schroff zu
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