Feuer der Rache
sie wird den Wettlauf gewinnen."
Aletta verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir haben ein Alibi!", widersprach sie. „Uns kann niemand etwas anhaben."
Der Vampir zog nur die Augenbrauen hoch. Alettas Schultern sanken herab. „Dann gibt es keinen anderen Ausweg! Werden Sie mir helfen?"
„Bist du sicher?"
Sie nickte, die Lippen fest zusammengepresst. „Wie kann ich Sie erreichen, wenn es so weit ist?"
„Ich werde da sein", versprach der Vampir, beugte sich vor, legte die Arme um ihre Taille und küsste sie auf den Mund. Sie entspannte sich in seiner Umarmung und schmiegte sich an ihn. Kein Alb vergiftete den Augenblick.
So also könnte es sein, dachte sie, und eine tiefe Traurigkeit breitete sich in ihr aus. Tränen traten in ihre Augen und rannen über ihre Wangen. Sie weinte um das Leben, wie es hätte sein können.
Der Vampir leckte einen Blutstropfen von Alettas Unterlippe und löste sich dann von ihr. Sein Blick glitt über die junge Frau.
„Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, Dann will ich gern zugrunde gehn!"
Seine gepflegten Finger strichen über ihre blasse Wange. „Ich werde zur Stelle sein, wenn du mich rufst", flüsterte er, dann war er verschwunden.
Aletta ging ins Haus zurück und schloss ihre Zimmertür hinter sich ab. Sie holte ihr Sabbatgewand aus dem Schrank und zog sich um. Dann rückte sie einen Fußschemel an die Nordwand des Zimmers und schmückte ihn wie den Altar des Covens. Liebevoll hielt sie jeden Gegenstand eine Weile in der Hand, ehe sie ihn an seinen Platz legte. Dann zündete sie das Räucherwerk und die Kerze an. Aletta kniete nieder und schloss die Augen. Sie hörte Esthers Stimme in ihrem Kopf: „Alles, was du tust, kehrt dreifach zu dir zurück!"
Wie oft hatten sie im Coven darüber diskutiert, was gut und was böse sei, und über die Konsequenzen, die eine böse Tat mit sich bringen konnte. Man sollte gut an den Menschen handeln, dann würde das Gute dreifach zu einem zurückkommen. Eine Hexe sollte niemals leichtfertig handeln. Sie sollte stets überlegen, wie ihre Tat sich auf andere Menschen ihrer Umgebung auswirken könnte. Was für den einen gut war, konnte einem anderen schaden.
Aletta seufzte. Es war alles zu verworren. Zu tief steckte sie in dem Knäuel, der nicht so einfach zu lösen war. Der gordische Knoten wurde mit einem Schwerfhieb zerschlagen. Sie fand, das war ein gutes Bild. Nur ein schmerzhafter Schnitt konnte noch zu einer Lösung führen, die wenigstens ein paar Menschen Gutes brachte. Sie hatte diesen Weg nicht leichtfertig gewählt. Es war ihr stets bewusst gewesen, dass jemand dafür würde bezahlen müssen -dreifach würde bezahlen müssen: sie -Aletta, die Hexe.
Im Stillen beschwor sie Gott und Göttin und bat ein letztes Mal um Kraft für das Ende, das sie gewählt hatte.
Osterfeuer
„Es ist einfach nicht dasselbe, wenn Maike nicht mit dabei ist", sagt Iris, lässt sich auf einen Stein sinken, stützt das Kinn in beide Hände und sieht trübsinnig auf die nächtliche Elbe hinaus. Hell erleuchtete Ausflugsboote ziehen vorbei, Musik und Gelächter dringen zum Ufer. Seit es zu dämmern begonnen hat, ziehen die Menschen in Scharen zum Eibufer hinunter, mit Decken und Picknickkörben und vor allem mit unzähligen Bierdosen und Flaschen, die am nächsten Morgen das Eibufer zu einer Müllhalde werden lassen.
„Ach, Iris, jetzt lass dich nicht so hängen", sagt Aletta ein wenig ärgerlich. Carmen setzt sich neben die Freundin und legt ihr den Arm um die Schultern. „Ja, es ist schade, dass Maike nicht dabei ist -und so ungewohnt. Ich sehe mich immer wieder nach ihr um."
„Ich hätte bei ihr bleiben sollen", seufzt Iris. „Wenn sie schon Kopfschmerzen hat und nicht zum Osterfeuer gehen kann, dann hätte ich ihr zu Hause Gesellschaft leisten sollen, statt mit euch Spaß zu haben."
„Du hast ja gar keinen Spaß", wirft Aletta ein. „Du denkst nur an sie. Dabei gehe ich jede Wette ein, dass sie gar keine Kopfschmerzen hat, sondern irgendetwas nicht nach ihrem Willen ging. Hat einer der Jungs sie vergrätzt? Wollte sie sich nicht mit Eike verabreden? Vielleicht hat er ihr einen Korb gegeben und ist lieber mit seinen Freunden zum Osterfeuer gegangen. Deshalb schmollt sie nun und will, dass wir alle auch nicht gehen. Ich finde es gut, dass du dieses Mal nicht nachgegeben hast und nun nicht den ganzen Abend vor ihrem Bett kauerst, um ihre Befehle
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