Feuer der Rache
Wochen." Ihre Stimme wurde bitter. „Natürlich nicht so lange wie du und die anderen! Aber Kai, glaube ich, ahnte nichts."
Tanja schnaubte durch die Nase. „Männer! Sie sind so dumm und so leicht zu belügen! Doch dass er dann gleich so reagiert!" Sie pfiff durch die Zähne.
„Du glaubst, er hat Sven erschossen?" Cathrin schüttelte den Kopf. „Du bist verrückt. Wie kannst du so etwas denken?"
Tanja blieb ungerührt. „Wenn nicht er, wer dann?" Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Der Mund öffnete sich ungläubig bei dem ungeheuerlichen Gedanken, der ihr plötzlich durch den Kopf schoss. „Cathrin!", stieß sie hervor und wich einen Schritt zurück.
„Ich glaube, du solltest jetzt gehen", sagte die Witwe kühl und reichte der Schwägerin ihren teuren Ledermantel.
Sabine parkte gegenüber der Mitteltreppe und ging dann den Brandts Weg hinunter. Der Weg wand sich zwischen kleinen, farbigen Häusern mit ihren liebevoll gepflegten Gärten hindurch. Er war so schmal, dass die Kommissarin mit ausgestreckten Armen die Zäune zu beiden Seiten berühren konnte. Vor dem Gartentor der ihr genannten Adresse blieb sie stehen und klingelte. Nichts rührte sich. Sabine beugte sich über das Tor und sah die Treppe zu dem schmalen Hof hinunter. Eine getigerte Katze erhob sich von der Schwelle und schlenderte um die Ecke in den Garten davon. Sabine drückte noch einmal den Klingelknopf.
„Wollen Sie zu mir?"
Eine hochgewachsene Dame in den Sechzigern kam langsam den Weg entlang, eine Reisetasche in jeder Hand. „Da haben Sie aber Glück. Ich komme gerade aus Paris."
Sie stellte die Taschen ab und griff sich mit der Rechten an den Rücken. „Ach, es ist nichts, wenn man alt wird." Sie lächelte, zog einen Schlüssel aus ihrer Jackentasche und schloss das Gartentor auf.
„Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte sie Sabine, die die schweren Reisetaschen aufgenommen hatte und hinter der Frau die Treppen zur Haustür hinunterstieg.
Die Kommissarin stellte sich vor. Wie sie es schon oft erlebt hatte, verschwand das Lächeln in dem Gesicht ihres Gegenübers.
„Ist denn etwas passiert?", stieß die Frau ängstlich hervor. Ihre Hand zitterte so, dass der Schlüssel nicht ins Schloss fand.
„Das weiß ich noch nicht. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen zu einer ehemaligen Schülerin stellen. -Darf ich?" Sabine schloss auf und stellte die Reisetaschen im Windfang ab.
„Du meine Güte." Clara Hofberger fing sich schnell wieder. Sie strich sich eine graue Strähne aus dem Gesicht und bat die Kommissarin herein.
„Ich kann uns Tee machen. Eine Dose mit Keksen müsste auch noch da sein. Mehr kann ich Ihnen leider nicht anbieten. Ich war fast eine Woche weg!"
Sabine behauptete, sie sei nicht hungrig, doch Frau Hofberger bestand darauf, dass sie zumindest einen Becher Tee mit ihr trank.
„Über welches Mädchen wollten Sie mit mir sprechen?"
„Iris Stoever. Ich weiß nicht, ob Sie sich an sie erinnern. Es ist schon ein paar Jahre her, dass sie zu Ihnen in die Grundschule ging. Heute ist sie vierundzwanzig. Ich wollte Sie fragen, ob Sie sie in letzter Zeit gesehen haben."
„Ja, sie war hier, bevor ich in den Urlaub fuhr." Frau Hofberger runzelte die Stirn. „Es muss Sonntag gewesen sein. Ja, am Ostersonntag! Ich habe gerade meine Taschen gepackt und darauf gewartet, dass meine Tochter kommt, um mich zum Bahnhof zu fahren, da stand Iris vor der Tür. Ich war überrascht. Es muss Jahre her sein, dass ich mit ihr gesprochen habe -außer die paar Worte, die man sich zuwirft, wenn man einander auf der Straße begegnet."
„Was wollte sie?"
Die Frau schüttelte langsam den Kopf. „Ich weiß es nicht. Sie sagte, sie sei zufällig vorbeigekommen, und da habe sie sich an ihre alte Lehrerin erinnert und an die schöne Schulzeit, als alles noch so leicht gewesen sei. Warum?"
„Iris ist seit Ostersonntag verschwunden, und bisher sind Sie die Letzte, die mit ihr gesprochen hat."
„Oh Gott!", rief Clara Hofberger und griff sich ans Herz. „Ihr wird doch nichts zugestoßen sein?"
„Das versuchen wir herauszufinden."
Die Lehrerin nickte, griff fahrig nach dem Teller mit den Keksen und hielt ihn der Kommissarin entgegen. Eines der Gebäckstücke fiel auf den Tisch und zerbrach. Mit zitternden Händen hob sie die einzelnen Stücke auf und legte sie auf ihren Unterteller.
„Bitte erzählen Sie mir von ihr, wie sie früher war, wie Sie sie in Erinnerung haben", bat Sabine.
Die alte Lehrerin trank einige Schlucke und
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