Feuer der Rache
„Ich werde deinen Kollegen nicht noch zwei zusätzliche Leichen präsentieren. Sollen sie erst einmal das Rätsel von Doktor und Anwalt lösen." Er schmunzelte, und Sabine konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er viel mehr darüber wusste, als er bereit war, ihr zu sagen.
Verräterische Spuren
Sabine verschlief den Sonntagvormittag. Selbst das Mittagsläuten vom Mariendom konnte ihren Schlaf nicht stören. Erst als um ein Uhr das Telefon neben ihrem Bett klingelte, schreckte sie hoch. Sie meldete sich zwar und sagte an den passenden Stellen „Ja" und „Nein", ihr Gehirn brauchte jedoch noch einige Minuten, ehe sie begriff, was Sönke ihr erzählte.
„Seine Frau hat ihn heute Vormittag gegen zehn gefunden, aber die Lichtenberg sagt, er ist schon mehr als vierundzwanzig Stunden tot. Vielleicht schon seit Freitag. Genaueres kann sie uns erst später sagen. Über die Todesursache hat sie sich noch nicht ausgelassen. Die Obduktion ist gleich auf Montag früh festgesetzt worden, dann wissen wir mehr."
„Es war also doch kein Traum", murmelte Sabine und rieb sich energisch die Augen. Konnte das sein? Hatte Peter von Borgo sie heute Nacht zu einer Leiche geführt? Oder waren das Visionen, die durch ihr Hirn spukten, für die kein normaler Mensch eine Erklärung finden konnte?
„Was sagst du?"
„Ach nichts, ich bin noch nicht ganz wach", wiegelte Sabine ab und gähnte. Neben ihrem Nachttisch lag ihre Handtasche, und anscheinend war alles drin: Geldbeutel, Schlüsselbund, Handy.
„Allen Deern", rief Sönke. „Es ist nach eins! Du bist mir ja 'n Drömel! Bis du von gestern noch angetütert? Düwel ok!"
„Was denn? Hast du noch nie eine lange Nacht gehabt?
Außerdem bin ich nicht betrunken!" Sabine eilte hinüber ins Wohnzimmer ans Fenster und sah auf die Lange Gasse hinunter. Ihr Wagen parkte genau gegenüber. Und dennoch war sie sicher, dass sie sich nichts von alldem eingebildet hatte.
„Das is schon lange her", gab Sönke zu, und ein wenig Neid schwang in seiner Stimme. „Der Mike hat vorhin auch nur rumgegähnt. Das hat nich zufällig was miteinander zu tun?"
„Nein! Wie kommst du auf diesen absurden Gedanken?" „Nu reiß mir mal nich gleich den Kop ab", wehrte sich ihr Kollege. „War ja nur so 'n Gedanke."
Am späten Nachmittag fuhr Sabine noch einmal nach Blankenese hinaus und klopfte an die Tür des rot und weiß gestrichenen Fachwerkhäuschens.
„Ich danke Ihnen, Frau Jacobson, dass ich mir das Zimmer noch mal ansehen darf. Ja, ich melde mich, wenn ich etwas brauche."
Sabine stieg die enge Treppe hinauf und ließ die alte Frau unten zurück, die sich mit ihren Krücken schwerfällig zu ihrem Sessel bewegte und sich in das Polster sinken ließ.
Oben war es noch stickiger als beim ersten Mal. Kein Wunder, die Sonne brannte auf das Reetdach herab, und obwohl die kleinen Fenster offen standen, spürte Sabine keinen Lufthauch.
Die Kommissarin blieb in dem engen Flur stehen und versuchte, den Ort auf sich wirken zu lassen. Fünf Türen unterbrachen die mit Rosen gemusterte Tapete. Die erste links führte in eine Abstellkammer, in der Putzutensilien und allerlei Gerumpel aufbewahrt wurden. Daneben lag das Badezimmer. Sabine blieb in der Tür stehen. Ihr Blick schweifte über das alte Waschbecken und den Spiegel mit der abgeschlagenen Ecke, über die Badewanne auf ihren vier Metallfüßen und die Toilettenschüssel mit dem vom Alter grau gewordenen Sitz. Nur der Duschvorhang mit seinen tropischen Fischen, der um den oberen Teil der Wanne hing, gab dem kleinen Raum etwas Farbe. An der Wand rechts und links des Waschbeckens standen zwei Rattanregale. Das eine war sauber, die Fläschchen und Tuben nach der Größe sortiert, im nächsten Fach Bürste, Haarbänder und Spangen, darunter Zahnbürste, Waschlotion, Shampoo. Auf dem anderen Regal herrschte Chaos. Alles lag wild durcheinander, dazwischen angetrocknete Zahnpastaflecken, kurze, blaue Haare und viel Staub. Ein ehemals weißes Handtuch, jetzt mit blauen Schlieren bedeckt, lag zusammengeknüllt auf dem Boden.
Die Türen gegenüber führten in die Zimmer der beiden Frauen. Zuerst warf sie einen Blick in Maikes Zimmer. Das große Fenster blickte in Richtung Elbe, die kleinen, geschwungenen in der Schräge führten zur Panzerstraße hinaus. In der Mitte standen ein runder Esstisch und vier Stühle, unter dem Fenster war ein Schreibtisch. Das Bett stieß an die niedere Wand, die in die Dachschräge überging.
Neben der Tür standen
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