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Feuer der Rache

Titel: Feuer der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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ein paar Jahre hineingeschnuppert. Hat jemand sie um ihr Leben betrogen? Hat sie es sich selbst genommen? Oder war es ein Unfall? Jedenfalls werden Tränen fließen und Menschen sich verzweifelt fragen: warum? Gibt es einen Gott? Wie kann er so etwas zulassen? Und wie immer werde ich keine Antwort haben. Ich werde mich schlecht fühlen und mich davonschleichen. Und dennoch muss ich dorthin gehen. Wird das Leben besser, wenn ich die Augen vor den Schattenseiten verschließe? Als Kommissarin kann ich wenigstens dafür sorgen, dass die Wahrheit ans Licht kommt und dass so manch einer keine Gelegenheit mehr bekommt, weiteres Unheil über die Menschen zu bringen. Dafür lohnt es sich zu kämpfen. Ich werde nicht aufgeben, und bald werde ich zu dir kommen und dir berichten, dass ich wieder im Dienst bin. Papa, ich verspreche es!"
    Da war sie wieder, diese Kälte und Einsamkeit, diese Angst, dass ihr alles entglitt. Sie fühlte, wie Tränen in ihr aufstiegen, aber ihre Sinne registrierten noch etwas anderes: dieses Gefühl, beobachtet zu werden, dieses Prickeln auf der Haut. Sabine schloss die Augen und versuchte sich auf ihre Wahrnehmung zu konzentrieren. Er war ganz in ihrer Nähe und beobachtete sie. Vermutlich würde sie ihn nicht sehen, wenn sie sich umdrehte, aber sie fühlte ihn!
    „Warum belauschst du mich in meiner Trauer?", fragte sie in die Dämmerung. „Ich weiß, dass du links hinter mir stehst, keine zehn Schritte entfernt."
    „Du lernst, deinen Sinnen zu vertrauen", lobte seine Stimme, die sie zu umrunden begann. „Das ist gut so und wird dir in deinem Beruf nützlich sein. Wie viele Menschen ignorieren ihre Instinkte. Schämen sich gar für diese Ahnungen, die sie vor mancher Gefahr behüten könnten." Sie öffnete die Augen und sah ihn direkt hinter dem Grabstein mit den verblassten Goldlettern stehen. Wie immer in Schwarz gekleidet. Das bleiche Gesicht schimmerte gegen das dunkle Grün der Eibe hinter ihm. Er beugte sich vor und reichte Sabine seine kalte Hand, um ihr aufzuhelfen, schreckte dann aber zurück.
    „Ist das ein Versuch, mich von dir fernzuhalten?", keuchte er.
    Sabine sah ihn verwirrt an. „Was meinst du?"
    „Knoblauch!"
    Sie lächelte. „Nein, das war ein Versuch, mir meinen Tag mit einem guten Essen zu verschönern." Sie musterte ihn interessiert. „Wäre das denn eine Möglichkeit?"
    Peter von Borgo trat näher. „Nein! Die Zeiten sind vorbei, da ich mich von Knoblauch und Kreuzen vertreiben ließ. Aber ich muss zugeben, ich kann weder das eine noch das andere leiden."
    „Dann will ich dich nicht aufhalten", meinte Sabine und wandte sich zum Gehen, doch er blieb an ihrer Seite.
    „Lass uns von anderen Dingen reden", schlug er vor. Sie gingen schweigend um den See herum, ehe Sabine sagte: ..Du bist früh dran, und ich sehe keine Zeichen der Erschöpfung in deinem Gesicht. Mir macht die lange Dienstagnacht noch immer zu schaffen!"
    Er dachte kurz daran, ihr zu sagen, wie knapp er am vergangenen Morgen seiner Vernichtung entkommen und dass ihm so etwas seit mehr als zweihundert Jahren nicht mehr passiert war, verwarf den Gedanken jedoch. Ein Vampir war ein Einzelgänger. Vielleicht hatte er sich dieser Menschenfrau schon zu sehr geöffnet. Er machte sich von ihr abhängig und brachte sich dadurch in Gefahr. War es Zeit, ein wenig Abstand zu gewinnen?
    „Nun, was treibt dich auf den Friedhof?", fragte Sabine. „Du weißt, ich weile gern in der Gesellschaft der Toten und lausche ihren Geschichten, aber heute war es wohl dein Schmerz, der mich hierhergetrieben hat, sobald ich mich von meinem Lager in der Speicherstadt erhoben hatte." Er reichte ihr den Arm, und sie ließ sich einen schmalen Weg nach Westen führen.
    Für einen Moment von ihren Gedanken abgelenkt, fragte sie verwundert: „Du benutzt jetzt den Speicher wieder? Warum?"
    Menschen! Hatte sie gestern nicht bemerkt, wie kurz der Sonnenaufgang bevorstand, als er sich von ihr verabschiedet hatte? Noch einmal widerstand er der Versuchung, ihr von seinem Wettlauf mit der Zeit zu erzählen, von dem Gefühl, das ihn überflutet hatte -etwas, das er in seinem Leben als Mensch vielleicht Angst genannt hätte. Von dem Schmerz und der überwältigenden Schwäche, die über ihn gekommen war, als das erste Sonnenlicht auf den Spitzen der Dächer erschien.
    „Nur eine alte Gewohnheit, ab und zu den Schlafplatz und das Jagdrevier zu wechseln", sagte er mit einem Schulterzucken. „Ich liebe den Speicher mit seinen Gerüchen. Er gibt

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