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Feuer der Rache

Titel: Feuer der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Neues erfahren sollte.
    Einen Strauß roter Rosen im Arm, wanderte Sabine die Wege des Friedhofes entlang. Sie ließ den Bus vorbeifahren, der hier in dem riesigen Parkfriedhof seine Runden drehte, und verließ den breiten Hauptweg. Ein strammer Marsch unter den alten Bäumen würde ihr helfen, ihre Gedanken zu ordnen und ihre Ungeduld zu zähmen. Sie wusste, dass die Tore um neun Uhr geschlossen wurden, aber das kümmerte sie nicht. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie über eine Mauer oder einen Zaun klettern musste.
    Sie hatte das Grab ihres Vaters am Prökelmoorteich erreicht, als das Handy klingelte. Eine alte Frau, die in der Nähe vor einem Grab kniete und verblühte Stiefmütterchen ausgrub, warf ihr einen strafenden Blick zu. Sabine legte ihren Rosenstrauß auf eine Bank und eilte ein Stück um den Teich herum außer Hörweite.
    „Ja und, was haben Sie erfahren?"
    Sie lauschte Michaels Worten: Leiche, weiblich, zwischen zwanzig und dreißig, soweit noch zu erkennen: schulterlanges, dunkelblondes Haar.
    „Das würde passen. Gibt es schon eine Einschätzung, wie lange sie tot ist?"
    „Der Doktor meint: mindestens zehn, zwölf Tage, eher länger. Die Todesursache ist vermutlich Ertrinken. Ob Unfall, Selbstmord oder Tötung, kann er so nicht sagen. Die genaue Einschätzung überlässt er der Kollegin, die die Sektion machen wird", erläuterte der Kommissar.
    „Steht der Obduktionstermin schon fest?"
    „Ja, Dr. Lichtenberg wird sie morgen um elf übernehmen wenn die Leiche bis dahin identifiziert sein sollte. Soviel ich weiß, hat sich der Kollege von der Vermisstenstelle bereits mit der Mutter von Iris Stoever in Verbindung gesetzt."
    „Wissen Sie, ob er auch mit Frau Jacobson gesprochen hat?"
    „Nein, keine Ahnung. Wer ist das?"
    „Die Großmutter der Vermissten. Sie hat die Meldung aufgegeben. Iris und ihre Zwillingsschwester wohnen bei ihr." Oder richtiger: wohnten -zumindest was Iris betrifft, korrigierte sie im Stillen, als gäbe es noch Hoffnung, solange sie es nicht laut aussprach. Beide schwiegen, während Sabine weiter um den runden Teich schritt. Ein paar Sumpfhühner, die am Ufer geschlafen hatten, rannten flatternd und fiepend ins Wasser und schwammen davon.
    „Wer von uns wird morgen dabei sein?", fragte Sabine.
    „Ja, also, es sind alle sehr eingespannt, und da hat Thomas gemeint, das könnte ich den Leuten von der Leichenstelle abnehmen."
    Sabine registrierte, dass der Neue nun auch schon mit dem Hauptkommissar per du war, hörte jedoch auch, wie wenig ihm diese Aufgabe behagte.
    „Das wird nicht angenehm", sagte sie mitfühlend, „wenn die Tote lange im Wasser gelegen hat."
    „Ja, das vermute ich auch", seufzte der Kommissar.
    „Ich werde kommen", sagte Sabine bestimmt. „Ich rufe Dr. Lichtenberg an."
    Sie verabschiedete sich, bevor der neue Kollege protestieren konnte. Schließlich war das ihr Fall! Sie wollte selbst sehen, was aus dem kleinen Zwillingsmädchen geworden war, das vor vielen Jahren so offen und unschuldig in die Kamera gelächelt hatte.
    Sie ging den Weg zurück und nahm den Rosenstrauß von der Bank. Die alte Frau war nicht mehr zu sehen. Auf dem Grab wuchsen nun Margeriten und Männertreu. Sabine stieg zur zweiten Terrasse hinauf und kniete sich vor dem Grab ihres Vaters nieder.
    „Ach, Papa, ich habe dir versprochen, dass ich die Sache angehe und mich nicht unterkriegen lasse, aber nun bin ich wieder hier und kann dir noch immer nicht sagen, dass alles in Ordnung ist."
    Sie nahm den vertrockneten Strauß von ihrem letzten Besuch aus der grünen Plastikvase, füllte sie mit frischem Wasser und steckte die Rosen hinein.
    „Hätte ich dir früher nur öfter gesagt, wie sehr ich dich liebe. Hättest du dich über Rosen gefreut? Ich weiß nicht. Vermutlich war es dir wichtiger, mit mir Bratkartoffeln zu hacken und Krabben zu pulen oder bei steifer Brise segeln zugehen, bis man die Finger und Füße vor Kälte nicht mehr spürt." Sie kauerte sich vor das Grab und zupfte ein wenig Unkraut zwischen den immergrünen Pflanzen heraus. Die Sonne war längst schon untergegangen. Es dämmerte.
    „Was kannst du jetzt noch fühlen? Riechst du das Meer? Hörst du den Wind in den Bäumen? Oder bist du nur noch das Häufchen Asche in der Urne?" Sie seufzte. „Du bist zu früh gestorben, und dennoch werde ich morgen vielleicht denken, du hast wenigstens ein Leben gehabt, und du hast es genossen. Aber die Frau dort auf dem Seziertisch? Sie hat in die Erwachsenenwelt gerade erst

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