Feuer der Rache
gläserne Gefühl gehabt. „Ich weiß, und es ist mir wirklich wichtig, aber ich kann sie nicht enttäuschen. Nicht jetzt, nach dem, was mit Iris passiert ist."
„Wenn du meinst", erwiderte Esther und musterte sie noch immer.
„Ich bin auf alle Fälle bis Mitternacht da. Versprochen!"
„Du musst mir nichts versprechen. Du solltest für dich selbst zum Fest kommen, um Kraft für das zu schöpfen, was auf dich zukommt. Du wirst sie brauchen!"
Aletta rann ein Schauder über den Rücken. Sie hatte jeden ausgelacht, der in ihrer Gegenwart so dreist war, zu behaupten, es gäbe so etwas wie das zweite Gesicht, Visionen und Ahnungen, was die Zukunft bringt oder was einem anderen zustoßen wird, aber seit sie Esther begegnet war, lachte sie nicht mehr.
„Ich werde da sein", sagte sie hastig und mied Esthers Blick. Sie sah auf ihre Uhr. Sie musste sich beeilen, wenn sie rechtzeitig um halb eins am Eingang des Friedhofs sein wollte.
Es war bereits nach zehn, als die Kommissarin an der Tür des rot und weiß gestrichenen Häuschens klingelte. Eine Weile geschah nichts. Dann hörte sie schlurfende Schritte und das Klacken von Krücken.
„Maike? Bist du das? Hast du deinen Schlüssel vergessen?", drang die Stimme von Irene Jacobson durch die Tür.
„Nein, ich bin es -Sabine Berner."
Die alte Frau zögerte, dann erklang das Geräusch eines zurückgezogenen Riegels, und die Tür schwang auf. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie die späte Besucherin an.
„Kommissarin Berner, ist etwas geschehen?" Ihre Summe zitterte. „Ist etwas mit Maike oder ihren Freundinnen?"
Sabine schüttelte den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste. Beruhigen Sie sich. Darf ich hereinkommen?"
Die Alte nickte und humpelte zu ihrem Sessel im Wohnzimmer zurück.
„Ich hoffte, auch Maike anzutreffen", sagte Sabine, als sie sich aufs Sofa sinken ließ. „Sie haben sie schon früher erwartet?"
Irene Jacobson nickte. „Ja, ich dachte, sie hätte heute um acht Uhr Schluss, aber vielleicht habe ich mich geirrt, oder sie hat vergessen, es mir zu sagen. Manchmal übernimmt sie noch eine Schicht für eine Kollegin. Aber vielleicht ist sie noch zu Aletta oder Carmen gegangen."
Ihre Hände zerknüllten ein spitzenbesetztes Taschentuch. Ihr Blick huschte zu der alten Standuhr in der Ecke, deren Pendel mit hypnotischer Gleichmäßigkeit hin und her schwang.
„Früher war ich nicht so gluckenhaft", verteidigte sich die Alte und riss mit Mühe ihren Blick von der Uhr los. „Sie sind ja eigentlich alt genug. Aber seit Iris verschwunden ist, lässt mich diese Angst nicht mehr los." Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie drückte schnell das zerknüllte Tuch an die Lider. „Ich hebe meine Mädchen so sehr. Was habe ich denn sonst noch in diesem Leben zu suchen, wenn ich nicht mehr für sie da sein kann? Ach, wenn Iris nur zurückkommen würde! Vielleicht hat ihre Mutter doch recht, und sie ist davongelaufen. Aber warum jetzt? Warum nicht in den Jahren vorher, als sie in diese schreckliche Schule musste?"
Sabine fühlte einen Druck in der Kehle. Sie räusperte sich. Nun musste sie von der Leiche sprechen, die in Sichtweite von Blankenese am Ufer der Insel gestrandet war. Sie spürte den Blick von Irene Jacobson auf sich ruhen, die auf eine Erklärung für Sabines Besuch wartete.
„Sie wollten mit mir und Maike sprechen?", half sie zaghaft nach. Die Kommissarin nickte schwerfällig.
„Dann gibt es etwas Neues?" Sie atmete geräuschvoll aus. „Ich sehe es Ihnen an. Es ist nichts Gutes."
Sabine räusperte sich noch einmal. Der Druck im Hals ließ nicht nach.
„Hat die Polizei Sie heute Abend angerufen?" Die alte Frau schüttelte stumm den Kopf.
„Es ist -wir -ich meine -es wurde eine Leiche gefunden." Irene Jacobson drückte das Tuch gegen den Mund. Es dauerte eine Weile, ehe sie hauchte: „Iris?"
„Das können wir noch nicht sicher sagen, solange sie nicht von einem Familienmitglied identifiziert wurde, aber es gibt Anzeichen, die dafür sprechen."
„Was ist mit ihr passiert?", flüsterte die alte Frau. „Wo haben sie sie gefunden?"
Die Kommissarin berichtete die wenigen Tatsachen, die sie erfahren hatte. „Wir können also erst nach der Obduktion sagen, wie sie zu Tode gekommen ist. Die Kollegen haben Ihre Tochter angerufen und sie informiert. Sie wird morgen zum Institut für Rechtsmedizin nach Eppendorf kommen müssen, um zu sehen, ob es Iris ist."
Irene Jacobson fuhr hoch. „Barbara weiß es? Sind Sie sicher?"
Sie
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