Feuer der Rache
Seiten wieder ins Regal zurück. Nein, das war nichts für sie. Vielleicht der Crichton? Timeline. Sie setzte sich auf den Schreibtischstuhl und begann zu lesen. Allerdings fiel es ihr schwer, sich zu konzentrieren. Die Wut brodelte zu sehr in ihr und trieb ihre Gedanken hinaus nach Blankenese. Sie sollte sich mit einem Holzpflock und einem Schwert bewaffnen und zu seinem Versteck fahren. Dann könnte sie diesem Unwesen ein Ende bereiten!
Da jedoch weder Schwerter noch angespitzte Holzpflocke zur Ausrüstung eines Kripobeamten gehörten und sie auch keine Waffensammlung ihr Eigen nannte, taugten diese Mordgedanken nur zur theoretischen Abkühlung ihres Zorns.
Sollte sie etwa mit dem Brotmesser auf ihn losgehen? Der Gedanke war lächerlich. Außerdem musste sie sich eingestehen, dass sie nicht genau wusste, wo er am Tag ruhte. Wäre er so leichtsinnig, einfach in einem der Keller zu liegen?
Sönke rief zweimal an und erkundigte sich nach Michaels Zustand. Er zeigte sich nur mäßig überrascht, die Kollegin ans Telefon zu bekommen.
„Wann ist er denn wieder einsatzbereit? Wir brauchen ihn! Es brennt an allen Ecken und Enden. Was glaubst du wohl, was der Senator hier für einen Tanz veranstaltet! Und dann haben wir noch eine hysterische Ehefrau und eine aufgelöste Schwester am Hals."
„Ich kann es mir vorstellen." Sabine nickte. Sönke knurrte. Er schien das zu bezweifeln. „Aber zwei oder drei Tage Ruhe wird Michael brauchen, bevor er wieder zur Verfügung steht. Nein! Da ist nichts zu machen", würgte sie Sönkes Proteste ab. „Er kann sich noch nicht einmal allein auf den Beinen halten!"
„So eine Schiete!", fluchte der Kollege. „Was hat er sich da nur eingefangen? Pass bloß auf, dass du dich nicht ansteckst."
Der Kommissarin lag auf den Lippen, dass man sich diese Schwäche nicht durch Ansteckung holte, doch sie schluckte die Worte hinunter. „Falls du mich brauchst, kannst du mich jederzeit auf meinem Handy erreichen", sagte sie stattdessen. „Ich stehe dir zur Verfügung, wenn es etwas zu tun gibt."
„Ne, ne, nu bring mal unsern Jung wieder auf die Beine, dann seh'n wir weiter", wehrte Sönke ab. „Ich bin heute mit Robert, der ollen Plaudertasche, unterwegs. Er hat zwar noch 'nen Gips, aber Thomas meint, Mund und Verstand seien nicht betroffen. Sein Wort in Gottes Gehörgang. Allerdings muss ich das Protokoll schreiben." Er grunzte. Diese ungeliebte Arbeit hätte er gern dem jüngeren Kollegen überlassen.
„Ihr habt doch das Bandgerät", erinnerte ihn die Kommissarin.
„Ne, ne, auf so'n neumodischen Kram verlasse ich mich nich allein", wehrte Sönke ab. Die Kommissarin lächelte. Sönke war das Original der Gruppe, und ohne ihn würde etwas fehlen.
Und ohne mich? Sie verscheuchte den Gedanken, der dazu geeignet war, sie in Depressionen zu stürzen. ,
„Also denn bis denn", verabschiedete sie sich betont heiter. „Viel Spaß bei deinen Befragungen."
„Freche Kröte", murrte Sönke und legte auf.
Sabine nahm das Buch wieder in die Hand, legte es aber, bevor sie zehn Seiten gelesen hatte, weg und trat an den Herd. Sie kochte Nudeln, briet Filetstücke und rührte eine kräftige Sahnesauce mit viel Käse an. Michael war noch immer sehr schwach und konnte kaum die Gabel halten, doch am späten Nachmittag hatte sie den Eindruck, als kehre ein wenig Farbe in seine Wangen zurück. Bei Kompott und heißer Milch mit Honig war er sogar in der Lage, sich ein wenig mit ihr zu unterhalten. Er bestand darauf, sein Lager auf das Sofa zu verlegen.
„Wenn ich jetzt weiterschlafe, bekomme ich bestimmt die ganze Nacht kein Auge zu", wehrte er sich gegen Sabines Versuch, ihn zu einer weiteren Ruhepause zu überreden.
„Ich bleibe hier auch ganz brav sitzen." Er lächelte seine Krankenschwester an, umfing sie mit den Armen und küsste sie.
„Ach, und das nennst du brav?", scherzte Sabine, machte sich los und brachte ihm sein Kissen und das Deckbett.
„Komm zu mir. Wir können uns eine DVD ansehen. Worauf hast du Lust?"
Die Kommissarin ließ den Zeigefinger an Thrillern und Actionfilmen enüanggleiten und entschied, „Mission Impossible II" sei das kleinste Übel. Wenigstens war Tom Cruise in diesem Film was fürs Auge und entschädigte für die Ballerei.
Nachdem sie Michael sein Abendessen serviert hatte, trat sie ans Fenster und sah hoch zu dem sich verdüsternden Himmel. Michael rief sie wieder zu sich und küsste sie.
„Willst du heute Nacht nicht dableiben? Der Futon ist breit genug.
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