Feuer der Rache
immer. Die alten Möbel schienen seit Jahren nicht mehr benutzt oder auch nur von der Stelle gerückt worden zu sein. Sabine durchquerte die Halle und ging die geschwungene Treppe hinauf. Sie sah sich in dem wundervollen Seidenkleid, das er ihr einst geliehen hatte, die Stufen herabsteigen. Er legte ihr einen Pelzmantel um die Schultern und fuhr sie in seinem Jaguar zu dem Konzert in die Musikhalle. Es war wie ein Ausflug in ein vergangenes Jahrhundert gewesen. Sabine betrat das Schlafzimmer mit dem Himmelbett und ging zu der antiken Spiegelkommode, vor der sie sich damals umgezogen hatte. Die Erinnerung rief erneut das warme Gefühl der Vorfreude und prickelnder Erregung wach.
Du bist hier, weil du ihm deine Meinung sagen willst, ermahnte sie sich und verscheuchte die alten Bilder.
„Das klingt spannend!", ertönte seine Stimme von der Tür her. Sabine biss sich auf die Lippe. Wieder einmal war es ihm gelungen, sie zu überraschen. Die Erinnerungen hatten sie eingelullt und ihre Wachsamkeit getrübt. Langsam drehte sie sich um. Sie dachte an Michael, wie er sich heute Morgen kaum mehr auf den Beinen hatte halten können, an seine tödliche Blässe im Gesicht, und die Wut kehrte zurück.
„Ja, das wird spannend", sagte sie gefährlich ruhig. „Du kannst von Glück sagen, dass ich nicht dein Versteck gesucht und dir den Kopf abgeschlagen habe!"
Der Vampir wiegte das Haupt hin und her. „Ja, das scheint wirklich eine interessante Unterhaltung zu werden. Ich halte es für einen nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass ich meinen Kopf noch habe und deine Worte genießen kann!"
„Verdammt noch mal, das ist kein Spaß!", schrie sie, obwohl sie sich vorgenommen hatte, sich nicht provozieren zu lassen. „Was fällt dir ein, dich an einem Freund zu vergreifen und ihn derartig zu schwächen? Und dann dieser Brief? Das ist der Gipfel der Frechheit!"
„Kommst du mit hinunter in den Salon? Ich würde dir gern einen Wein zum Probieren geben, den ich erst vor ein paar Tagen entdeckt habe."
„Ich will deinen blöden Wein nicht! Du sollst mir zuhören!"
Da der Vampir sich bereits abgewandt hatte und die Treppe hinunterschritt, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. In der Halle war er nicht zu sehen. Er trat jedoch hinter ihr in den Musiksalon -die Weinflasche in der einen Hand, eines seiner Kristallgläser in der anderen -, kaum dass Sabine zwei Schritte über das Parkett gemacht hatte.
„Welch ein Aroma", schwärmte er und roch an dem Korken. „Das sind die Momente, in denen ich es bedauere, kein Mensch mehr zu sein."
Sabine schnappte nach Luft. Das war zu viel. Er behandelte sie wie ein Spielzeug, das sich seinen Launen zu unterwerfen hatte. Was ihm nicht gefiel, wurde einfach ignoriert. Er stellte das Glas auf das Silbertablett, das auf einem spindelbeinigen Tisch stand, schenkte den Wein ein und reichte es ihr dann.
„Probiere. Ich bin überzeugt, er wird dir schmecken."
Sabine riss ihm das Glas aus der Hand und schleuderte es an die Wand. Es prallte gegen die Kante des Bücherregals und zerbarst. Die Glasscherben fielen zu Boden, der Wein floss über das Holz und färbte einige Bücherrücken rot. Die Kommissarin war zu erregt, um die Zerstörung der wertvollen Bände zu bedauern.
„Ich bin nicht deine Puppe, über die du nach Lust und Laune verfügen kannst. Ich bin ein Mensch, und ich gehöre niemandem! Und was ich tue oder lasse, geht nur mich etwas an."
Der Vampir holte ein neues Glas aus der Vitrine und stellte es auf das Tablett, ohne sich um das zerbrochene zu kümmern. „Aber ja. Niemand zwingt dich zu etwas."
„Ach nein? Und was bezweckst du dann damit, meine Freunde zu töten?"
Peter von Borgo hob verwundert die Augenbrauen. „Ich kann mich nicht erinnern, in letzter Zeit jemanden getötet zu haben."
„Ja, er hat es überlebt, gerade so. Du weißt, was ich meine", rief sie.
„Ich habe Blut getrunken, wie jede Nacht. Ich bin ein Vampir, und das ist meine Lebensweise."
„Und da ist dir ganz zufällig Michael über den Weg gelaufen? Und es hat überhaupt nichts damit zu tun, dass ich mit ihm ausgegangen bin?" Ihre Stimme war bitter vor Sarkas-mus.
„Ausgegangen? Er hat dich fast verschlungen! Oder kann man das noch küssen nennen?"
„Das geht dich einen Scheißdreck an!", schrie sie. „Ich kann rumknutschen, mit wem ich will! Und wenn ich mit fünf Männern gleichzeitig in die Kiste springen würde, müsste ich dich nicht um Erlaubnis fragen!"
Er verzog vor Abscheu
Weitere Kostenlose Bücher