Feuer (German Edition)
strahlenlose Mondscheibe, die einem trüben Sumpfe gleichende Ebene, unter sich das Labyrinth mit dem dunkeln Buchsbaum, von dem sich die Weißbuchen wie helle Flecke abhoben, schmal und eng mit seinen unendlichen Kreuzungen und Biegungen, mit dem Aussehen eines zerstörten, von Gestrüpp überwucherten Bauwerks, einer Ruine und einem Buschwald gleichend, wild und melancholisch.
»Bleib stehen, bleib stehen! Laufe nicht so. Man hat uns gehört. Es kommt ein Mann. Ich sehe ihn kommen. Warte! Halte ein!«
Er sah die Frau wie eine Unsinnige in den Irrgärten umherjagen, wie ein zu nutzloser Marter verdammtes Geschöpf, zu unnützer, aber ewiger Qual, eine Schwester der sagenhaften Märtyrerinnen.
»Bleib stehen!«
Sie schien ihn nicht zu hören oder vermochte nicht der verhängnisvollen Bewegung Einhalt zu tun. Und daß er ihr nicht zu Hilfe eilen konnte, sondern Zeuge bleiben mußte dieser furchtbaren Qual!
»Hier ist er!«
Einer der Wächter hatte die Rufe gehört und war näher gekommen. Jetzt trat er über die Schwelle zum Eingang. Stelio begegnete ihm am Fuße des Turmes. Zusammen machten sie sich auf die Suche nach der Verirrten. Der Mann kannte das Geheimnis des Labyrinths. Stelio verhinderte ihn am Reden und an den Späßen, die er machen wollte und setzte ihn durch seine Freigebigkeit in Verwirrung.
›Ist sie ohnmächtig geworden? Ist sie zu Boden gefallen?‹
Der Schatten und das Schweigen dünkten ihm unheilvoll, erschreckten ihn. Sie antwortete nicht den Rufen, noch hörte man ihre Schritte. Der Ort war schon in nächtliches Dunkel getaucht unter dem Tau, der von dem violetten Himmel niederfiel. ›Werde ich sie ohnmächtig am Boden finden?‹
Er erbebte, als er plötzlich an einer Biegung die geheimnisvolle Gestalt auftauchen sah, das bleiche Gesicht, das das ganze Dämmerlicht in sich aufsaugte, wie eine Perle schimmernd, die Augen groß und starr, die Lippen zusammengepreßt und hart.
Sie kehrten nach Dolo zurück und nahmen wieder denselben Weg längs der Brenta. Sie sprach nicht, nicht ein einziges Mal öffnete sie den Mund, sie antwortete nicht, als könnte sie die Zähne nicht auseinander bringen; hingestreckt lag sie im Wagenfond, bis zum Kinn in ihren Mantel eingehüllt, und es überliefen sie so starke Schauer von Zeit zu Zeit, daß sie zusammenzuckte, ihre Blässe glich der Blässe des Sumpffiebers. Ihr Freund nahm ihre Hände und hielt sie zwischen den seinen, um sie zu erwärmen, aber umsonst: sie waren leblos, sie schienen ohne Blut zu sein. Und vorbei ging es an den Statuen in endloser Folge.
Düster wälzte sich der Fluß zwischen seinen Dämmen dahin unter dem silbern-violetten Himmel, an dem der Vollmond aufstieg. Eine schwarze Barke kam die Strömung herunter, an einem Seil von zwei grauen Pferden gezogen, die auf dem Ufergrase dumpf und schwerfällig stampften und von einem friedlich pfeifenden Manne geführt wurden; und auf der Schiffsbrücke dampfte ein Schlot, wie der kleine Schornstein auf dem Dache einer Hütte, und in dem Laderaum schimmerte das gelbliche Licht einer Öllampe, und der Geruch des Abendessens verbreitete sich in der Luft. Und hier und dort, und überall, wohin man blickte, ging es in der wasserreichen Landschaft vorbei an den Statuen, in endloser Folge.
Es war ein stygisches Land, wie eine Vision des Hades: ein Land des Schattens, der Nebel und der Wasser. Alles schwebte und schwand wie Geister. Der Mond verzauberte die Ebene und zog sie an sich, wie er das Meer verzaubert und an sich zieht; er trank die große der Erde gehörende Feuchtigkeit vom Horizonte mit unersättlichem Durste, in stillem Schweigen. Überall glänzten einsame Brunnen; man sah kleine silberne Kanäle in unbestimmter Ferne zwischen Reihen hängender Weidenbäume schimmern. Die Erde schien allmählich ihre Festigkeit zu verlieren und sich in Flüssigkeit aufzulösen. Der Himmel konnte seine Melancholie aus zahllosen stillen Spiegeln zurückgestrahlt sehen. Und hier und dort, überall längs des farblosen Ufers, tauchten die Statuen auf in endloser Menge, wie die Manen eines verschwundenen Geschlechtes. – – –
»Denken Sie oft an Donatella Arvale, Stelio?« – fragte unvermittelt die Foscarina nach einer langen Pause, in der beide nichts gehört hatten als das Hallen ihrer Schritte auf der Fondamenta dei Vetrai, die in dem tausendfältigen Glitzern der zerbrechlichen Gegenstände widerstrahlte, die die Schaufenster der daran liegenden Läden füllten. Und ihre Stimme klang wie
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