Feuer (German Edition)
Rhythmus folgend, der sich aus der Eigenschaft der Materie und den gewohnheitsmäßigen, zu ihrer Beherrschung geeigneten Bewegungen ergab. Die Lehrlinge legten eine kleine Birne der glühenden Glasmasse in die von den Meistern angegebenen Stellen; und die Birne verlängerte sich, wand sich, verwandelte sich in einen Henkel, in einen Rand, in einen Schnabel, in einen Stiel, in einen Fuß. Unter den Werkzeugen verlor sich allmählich die rötliche Glut; und der werdende Kelch wurde, an einem Stabe befestigt, von neuem der Flamme ausgesetzt; dann zog man ihn weich und dehnbar wieder heraus, empfindlich gegen die leisesten Berührungen, durch die man ihn verzierte, abschliff, und die ihn dem Modell gleichmachten, das von den Vorräten übernommen war oder der freien Erfindung eines neuen Schöpfers entstammte. Seltsam behend und leicht waren die Bewegungen der Menschen um diese Geschöpfe des Feuers, des Atems und des Eisens, wie die Bewegungen eines stummen Tanzes. Die Gestalt der Tanagräerin erschien dem Dichter in dem unaufhörlichen Wogen der Flamme wie ein Salamander. Donatellas Stimme sang ihm die bestrickende Melodie.
›Auch heute habe ich selbst sie dir zur Gefährtin gegeben!‹ dachte die Foscarina. ›Ich selbst habe sie zwischen uns gerufen. Ich habe ihre Erscheinung heraufbeschworen; während dein Gedanke vielleicht anderswo weilte, habe ich sie plötzlich vor deine Augen geführt, wie in jener Nacht der Fieberraserei!‹
Wie wahr, wie wahr! Seit jenem Augenblick, in dem der Name der Sängerin,zum erstenmal von den Lippen des Freundes ausgesprochen, in dem Schatten des gepanzerten Kolosses auf den dämmernden Wassern, von dem Panzer des Kriegsschiffes zurückgeworfen worden war, seit jenem Augenblick hatte sie unbewußt den Eindruck des neuen Bildes in seinem Geist verstärkt, hatte es genährt mit ihrer eigenen Eifersucht, mit ihrer eigenen Furcht, hatte es erhoben, verherrlicht von Tag zu Tag und hatte es schließlich mit klarer Bestimmtheit ausgestaltet. Mehr als einmal hatte sie ihm, der vielleicht des Bildes uneingedenk war, zugerufen:
»Sie erwartet dich!« Mehr als einmal hatte sie seiner vielleicht unbekümmerten Einbildungskraft das Bild dieser fernen und geheimnisvollen Erwartung vorgeführt. Wie in jener dionysischen Nacht Venedigs Flammenmeer die beiden jugendlichen Gesichter mit demselben Widerschein entzündet hatte, so entzündete sie jetzt ihre Leidenschaft, und sie erglühten nur, weil sie es so wollte. ›Kein Zweifel,‹ dachte sie, ›das Bild beherrscht ihn jetzt, und er beherrscht es. Meine Angst ist es gerade, die sein Begehren reizt. Er freut sich des Genusses, sie unter meinen verzweifelten Augen zu lieben ...‹
Und ihre Qual war namenlos; denn sie mußte sehen, wie diese Liebe, an der sie starb, durch ihre eigene Liebe genährt wurde, sie fühlte, wie ihre eigene Glut ihn umloderte wie eine notwendige Atmosphäre, außerhalb welcher er vielleicht nicht hätte leben können.
»Sobald es geformt ist, wird das Gefäß zur Hartmachung in den Kühlofen getan« – antwortete einer der Glasbläser auf Stelios Frage. – »Es würde in tausend Stücke zerspringen, setzte man es unvermutet der äußeren Luft aus.«
In der Tat gewahrten sie durch eine Öffnung in einem Behälter, der die Fortsetzung des Schmelzofens bildete, die glänzenden Gefäße vereint, noch Sklaven des Feuers, noch in seiner Macht.
»Seit zehn Stunden sind sie schon darin« – sagte der Meister, auf die zierliche Glasfamilie deutend.
Dann verließen die schönen, zarten Geschöpfe den Vater, lösten sich von ihm los für immer; sie kühlten ab, verwandelten sich in starre Edelsteine, lebten ihr neues Leben in der Welt, unterwarfen sich den sinnlichen Menschen, gingen den Gefahren entgegen, folgten den Veränderlichkeiten des Lichtes, nahmen geschnittene Blumen in sich auf oder das berauschende Getränk.
»Ist das nicht unsere große Foscarina?« – fragte mit leiser Stimme in seinem weichen venetianischen Dialekt der kleine rotäugige Mann, der die Künstlerin in dem Augenblick erkannte, als sie in der erstickenden Hitze den Schleier in die Höhe schlug, ihren Freund.
In kindlicher Erregung zitternd, machte der Meister einen Schritt auf sie zu und verneigte sich bescheiden.
»An einem Abend,gnädige Frau,haben Sie mich zum Beben und Weinen gebracht wie einen Knaben. Erlauben Sie mir, daß, ich zur Erinnerung an diesen Abend, den ich bis an mein Lebensende nicht vergessen werde, Ihnen eine kleine Arbeit
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