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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Liebesgötter trugen, schloß es ab. Jenseits des Gitters gewahrte man nichts als den Anfang eines Ganges und eine Art verschlungener und spröder Wildnis, ein geheimnisvoller und unheimlicher Eindruck. In der Mitte der Wildnis erhob sich ein Turm, und auf der Spitze des Turmes schien die Statue eines Kriegers Wache zu halten.
    »Bist du nie in einem Labyrinth gewesen?« – fragte Stelio seine Freundin.
    »Niemals« – erwiderte sie.
    Sie verweilten noch, um das trügerische Spiel zu bewundern, das ein erfindungsreicher Gärtner zum Zeitvertreib für die Damen und die galanten Herren zur Zeit der hohen Stöckelschuhe und der Reifröcke angelegt hatte. Aber die Verlassenheit und das Alter hatten es verwildert, verkümmert, hatten es jeder Anmut und Regelmäßigkeit beraubt; sie hatten es in einen eingeschlossenen, teils schwarz, teils gelblich schimmernden Buschwald verwandelt, voll unentwirrbaren Gestrüppes, in dem die schrägen Strahlen der untergehenden Sonne so intensiv rot leuchteten, daß hier und da dies Gesträuch Scheiterhaufen glich, die ohne Rauch brannten.
    »Es ist offen« - sagte Stelio, der das Gitter seinem Drucke nachgeben fühlte. – »Siehst du?«
    Er stieß gegen daß rostige Eisen, das in den gelockerten Angeln kreischte, dann tat er einen Schritt hinein.
    »Was tust du?« - sagte seine Gefährtin mit instinktiver Furcht die Hand ausstreckend, um ihn zurückzuhalten.
    »Wollen wir nicht hineingehen?«
    Sie war betroffen. Aber das Labyrinth lockte sie mit seinem Geheimnis, erleuchtet durch jene düstere Flamme.
    »Und wenn wir uns verirren?«
    »Sieh nur, es ist klein. Wir finden leicht den Ausgang wieder.«
    »Und wenn wir ihn nicht wiederfinden?«
    Er lachte über die kindische Furcht.
    »So werden wir bis in alle Ewigkeit darin herumirren.«
    »Es ist niemand in der Nähe. Nein, nein, laß uns fortgehen.«
    Sie versuchte ihn zurückzuziehen. Er wehrte sich, retirierte rückwärts in den Fußpfad, und war plötzlich lachend verschwunden.
    »Stelio! Stelio!«
    Sie konnte ihn nicht mehr sehen, aber sie hörte sein Lachen aus dem verbergenden Dickicht.
    »Komm zurück! Komm!«
    »Komm du und suche mich.«
    »Stelio, komm zurück! Du verirrst dich.«
    »Ich werde Ariadne finden.«
    Sie fühlte, wie ihr Herz hoch aufklopfte bei diesem Namen, dann schnürte es sich zusammen in wirrer Angst. Hatte er nicht Donatella mit diesem Namen genannt, am ersten Abend? Hatte er sie nicht Ariadne genannt, dort, auf dem Wasser, als er neben ihr saß, Knie an Knie? Sogar der Worte erinnerte sie sich: »Ariadne besitzt eine göttliche Gabe, durch die ihre Macht grenzenlos wird,...« Sie erinnerte sich seines Ausdruckes, seiner Haltung, seines Blickes.
    Ein wildes Angstgefühl verwirrte sie, verdunkelte ihren Verstand, verhinderte sie, die Willkür des Zufalls, das Unbeabsichtigte in den Worten ihres Freundes zu erkennen. Die tödliche Furcht, die sich im Grunde ihrer verzweifelten Liebe barg, brach hervor, übermannte sie, verblendete sie in kläglicher Weise. Das kleine nichtssagende Geschehnis nahm einen Anschein von Grausamkeit und Spott an. Noch hörte sie das Lachen aus dem verbergenden Dickicht.
    »Stelio!«
    Sie schrie, als sähe sie ihn in einem wilden Delirium, von der andern in Fesseln geschlagen, auf immer ihren Armen entrissen.
    »Stelio!«
    »Suche mich!« – antwortete er ihr lachend, unsichtbar.
    Sie stürzte sich in das wilde Dickicht, um ihn zu suchen; sie folgte der Stimme und dem Lachen in blinder Leidenschaft. Aber der schmale Pfad machte eine Windung; eine undurchdringliche Buchsbaumwand legte sich vor ihr über den Weg. Sie folgte der trügerischen Windung; und eine Biegung folgte der andern, und alle waren gleich, und es schien, als nähme der Irrgang nie ein Ende.
    »Suche mich!« – wiederholte die Stimme aus der Ferne durch die lebenden Hecken.
    »Wo bist du? Wo bist du? Siehst du mich?«
    Sie suchte hier und dort nach kleinen Lücken, um hindurchblicken zu können. Aber sie sah nichts als das dichte Geflecht der Zweige und die Abendröte, die sie auf der einen Seite alle entzündete, während der Schatten auf der anderen Seite sie in dunkle Nacht tauchte. Hoher Buchsbaum und Weißbuchen standen durcheinander, die immergrünen Blätter vermischten sich mit den absterbenden, die dunkleren mit den bleicheren, in einem Kontrast von Kraft und Ermattung, in einer Doppelerscheinung, die die Verwirrung der atemlosen Frau noch steigerte.
    »Ich verirre mich. Komm mir entgegen!«
    Wieder erklang

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