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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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schwülen Windstoß verspürt?«
    Sie sog die Luft ein.
    »Es ist wie ein Duft von gemähtem Heu, riechst du ihn nicht?«
    »Es ist der Duft der weißen Algen, die sich zu erschließen beginnen.«
    »Sieh die schonen Felder!«
    »Das sind Le Vignóle. Und das ist der Lido. Und das dort die Insel Sant' Erasmo.«
    Die Sonne leuchtete jetzt schleierlos über der Lagune. Die aus dem Wasser ragenden Inseln schienen in ihrem feuchten Glanze wie lebendige Blumen. Die Schatten der Zypressen wurden länger und dunkler.
    »Ich bin ganz sicher« « sagte sie – »daß irgendwo hier ganz in der Nähe die Mandelbäume blühen. Komm auf den Damm.«
    Sie warf mit einer ihr eigentümlichen instinktiven Bewegung den Kopf nach hinten, als wolle sie sich von einem Zwang befreien, ein Hindernis beseitigen.
    »Warte!«
    Und mit raschem Griff die beiden langen Nadeln, die den Hut festhielten, herausziehend, entblößte sie ihren Kopf. Sie lief zur Landungsstelle zurück und warf das glitzernde Ding in die Gondel. Dann kam sie wieder zum Freunde, leichtfüßig, das reiche Gelock, das von Luft und Licht frei durchspielt wurde, mit den Händen aufhebend. Sie schien erquickt und befreit, als ob ihr Atem sich geweitet hätte.
    »Litten die Schwingen?« fragte lachend Stelio.
    Und er sah auf die ungeordneten Haare, die nicht der Kamm, sondern der Wind geteilt hatte.
    »Ja, auch das kleinste Gewicht belästigt mich. Wenn ich nicht fürchten müßte, sonderbar zu erscheinen, würde ich immer mit bloßem Kopf gehen. Aber wenn ich dann Bäume sehe, kann ich nicht länger widerstehen. Meine Haare erinnern sich, daß sie von Natur wildgewachsen sind, und sie wollen auf ihre Weise Luft schöpfen, in der Einsamkeit zum mindesten...«
    Sie sprach lebhaft und frei, während sie mit leise wiegendem Gang über das Gras schritt. Und Stelio erinnerte sich jenes Tages, als sie ihm im Gradenigo-Garten wie ein schönes rotbraunes Windspiel vorgekommen war.
    »Ach, hier ist ein Kapuziner!«
    Der Pater Guardian kam ihnen entgegen und grüßte sie freundlich. Er erbot sich, den Besucher ins Kloster zu führen, machte aber darauf aufmerksam, daß die Klosterregel seiner Gefährtin den Eingang verwehre.
    »Soll ich eintreten?« – fragte Stelio die lächelnde Freundin.
    »Ja, gehe hinein.«
    »Und du willst allein bleiben?«
    »Ich bleibe allein.«
    »Ich bringe dir einen Splitter der heiligen Pinie mit.«
    Er folgte dem Franziskaner unter den kleinen Säulengang mit der Balkendecke, an der die leeren Schwalbennester hingen. Ehe er die Schwelle überschritt, wendete er sich noch einmal nach der Freundin um. Die Tür schloß sich.
O glückselige Einsamkeit!
O einzige Glückseligkeit!
     
    Wie bei der Orgel der plötzliche Wechsel der Register die Töne gänzlich verändert, so schlugen jetzt plötzlich die Gedanken der Frau um. Das Grauen vor der Abwesenheit, dieses schrecklichste aller Übel, tauchte vor der Seele der Liebenden auf. Ihr Freund war nicht mehr da: nicht länger hörte sie seine Stimme, nicht mehr spürte sie seinen Atem, sie fühlte nicht mehr seine sanfte und feste Hand. Sie sah ihn nicht mehr leben, sie sah nicht mehr, wie die Luft und das Licht und der Schatten, das Leben der Welt in Harmonie mit seinem Leben zusammenfloß. »Wenn er nicht zurückkehrte! wenn diese Tür sich nicht wieder öffnete!« Das konnte nicht sein. In wenigen Minuten würde er ohne Zweifel die Schwelle wieder überschreiten, und ihre Augen würden ihn wiedersehen, ihr Blut ihn empfinden. Aber so,so sollte er binnen wenigen Tagen entschwinden; zuerst würden sich die Ebene, und dann das Gebirge, und dann wieder Ebenen und Gebirge und Flüsse, und dann die Meerenge, und dann der Ozean, der unendliche Raum, den keine Tränen und keine Klagen überbrücken, sie würden sich zwischen sie und diese Stirn, die Augen, diese Lippen legen. Das Bild der brutalen, kohlengeschwärzten, von Rüstungen starrenden Stadt füllte die friedliche Insel aus; das Getöse der Hämmer, das Kreischen der Winden, das Keuchen der Maschinen, das endlose Stöhnen des Eisens übertönte die Frühlingsmelodie. Und jedem einzelnen dieser einfachen Dinge: dem Grase, dem Sande, dem Wasser, dem Seetang, der leichten Flaumfeder, die, vielleicht einem helltönenden Kehlchen entfallen, herniederschwebte, all diesem stellten sich die vom Menschenstrom überschwemmten Straßen entgegen, die Häuser mit den tausend mißgestalteten Augen, voll feindseliger, schlafscheuchender Fieber, und die von Brünstigen oder

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