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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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dieser Musik die Kraft desselben Prinzips wieder, um das er wie um einen Thyrsus die Kränze seiner dichterischen Begeisterung gewunden hatte.
    Und nun tauchte der Name auf, der schon im schweigenden Schatten gegen den Panzer des Schiffes widergeklungen, jener Name, der sich in der ungeheueren Woge der Abendglocken verloren hatte wie ein rätselvolles Blatt; und er schien seine Silben dem Orchester wie ein neues Thema aufzugeben, das die Streichinstrumente ergriffen. Die Violinen, Violen und Violoncelli sangen ihn um die Wette; unvorhergesehene heroische Trompetenstöße verherrlichten ihn; endlich schmetterte ihn das gesamte Orchester mit einstimmiger Gewalt in den Freudenhimmel hinaus, an dem später die Sternenkrone erglänzen sollte, die Ariadne von der goldenen Aphrodite dargeboten wird.
    Stelio empfand in der Pause eine eigentümliche Verwirrung, gleichsam einen religiösen Schrecken, angesichts dieser Verkündigung. Er verstand, welchen Wert es für ihn hatte, sich in diesem unschätzbaren lyrischen Moment allein unter makellosen und stummen Bildnissen zu finden. Ein Saum desselben Geheimnisses, das ihn schon unter den Flanken des Kriegsschiffes gestreift hatte, wie ein flüchtiger Schleier einen streift, schien jetz vor seinen Augen zu schweben in diesem einsamen Zimmer, das doch dem menschlichen Treiben so nahe war. – So schweigt am Meeresgestade, ganz dicht bei der Brandung, eine Seemuschel. – Wieder glaubte er wie schon in anderen außergewöhnlichen Stunden seines Lebens die Gegenwart seines Schicksals zu fühlen, das dastand, um seinem Wesen einen neuen Impuls zu geben und vielleicht eine wundervolle Willenskraft in ihm zu lösen. Und während er die Mittelmäßigkeit all der tausend dunkeln Geschicke bedachte, die über den Köpfen der Menge schwebten, die jetzt den Erscheinungen einer idealen Welt hingebend zugewandt war, gefiel er sich darin, abseits jene glückverheißende, dämonische Gestalt anzubeten, die ihn hier heimlich zu besuchen kam, um ihm im Namen einer unbekannten Geliebten ein ungewolltes Geschenk zu reichen.
    Beim plötzlichen Erklingen der menschlichen Stimmen, die den unüberwindlichen Gott mit triumphierendem Zuruf grüßten, fuhr er zusammen:
»Es lebe der Starke, es lebe der Große ...«
     
    Der geräumige Saal dröhnte wie ein riesiger in Schwingungen versetzter Resonanzboden; und der Widerhall pflanzte sich fort durch die Scala dei Censori, durch die Scala d'Oro, durch die Gänge und Hallen, durch die Vorsäle und Galerien, bis zu den Kellergewölben, bis zu den Fundamenten des Palastes, wie ein donnernder Jubel, der in die helle Nacht hinausjauchzte:
»Es lebe der Starke, es lebe der Große,
Der Sieger des niedergezwungenen Indien!«
     
    Es schien, als wolle der Chor den wundervollen Gott begrüßen, dessen Erscheinung der Dichter über die meerentstiegene Stadt heraufbeschworen hatte. Es schien, als ob der Saum seines Purpurmantels sich in diesem Stimmklang zitternd bewegte, gleichwie Flammen in kristallnen Röhren. Das lebendige Bild schwebte losgelöst über die Menge, die es doch mit ihrem eigenen Traume nährte.
»Es lebe der Starke, es lebe der Große ...«
     
    In dem machtvollen fugenartigen Satze wiederholten die Bässe, Altstimmen und Soprane den jubelnden Zuruf an den Unsterblichen mit den tausend Namen und mit den tausend Blumenkränzen, ihn, »der aus unaussprechlichem Bündnis geboren«, ihn, »der einem Jüngling in der ersten Jugend gleicht«. Der ganze antike dionysische Rausch schien aus diesem göttlichen Chor aufzusteigen und sich zu verbreiten. Die ganze Lebensfülle und Lebensfrische im Lächeln des sorgenlösenden Bacchus, der allen Kummer aus den Herzen der Menschen scheucht, jubelte in einem Ausbruch von Freude heraus. Es flammten und knisterten die unauslöschbaren Fackeln der Bacchantinnen. Wie im orphischen Hymnus beleuchtete ein Widerschein der Feuersbrunst die Stirn des Jünglings, die von dunkeln Haaren gekrönt war. »Als die Wut des Feuers die ganze Erde überflutet hatte, war er es allein, der die prasselnden Wirbel der Flamme bezwang.« Wie in den Gesängen des Homer atmete hier der unfruchtbare Schoß des Meeres, hörte man das abgemessene Geräusch der zahlreichen Ruder, die das wohlgebaute Schiff nach unbekannten Ländern führten. Und wieder erschien plötzlich auf den Flügeln des Gesanges vor den Menschen der Blühende, der Fruchttragende, der den Sterblichen sichtbare Heilbringende, Dionysos der Befreier, und für sie kränzte er

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