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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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verborgen hinter dem zarttönenden und rauschenden Walde, aus dem die schmerzreiche Harmonie aufsteigen sollte, die Ariadnes Klage begleitet.
    In die gespannte und empfängliche Stille ertönte jetzt das Präludium der Violinen. Ihrer flehenden Klage einten die Violen und Violoncelli ein tieferes Weh. War nicht, nach der phrygischen Flöte und der berecynthischen Schellentrommel, nach den orgiastischen Instrumenten, deren Klänge die Vernunft verwirrten und zur Raserei aufstachelten, war da nicht die heilige dorische Leier, ernst und süß, die harmonische Stütze des Gesanges? So wird aus dem geräuschvollen Dithyrambus das Drama geboren. Die große Umwandlung des dionysischen Kultus – die Raserei des heiligen Festes, die zum schöpferischen Enthusiasmus des tragischen Dichters wird – schien in dieser musikalischen Aufeinanderfolge dargestellt. Der feuerstammende Hauch des tracischen Gottes hatte einer erhabenen Kunstform Leben gegeben. Lorbeerkranz und Dreifuß, die dem siegreichen Dichter als Preis zuerteilt wurden, hatten den geilen Bock und den Korb mit attischen Felgen abgelöst. Äschylos, selbst Hüter eines Weinberges, war vom Gotte besucht worden, der ihm seinen Flammengeist eingehaucht hatte. Auf dem Hange der Akropolis, dicht neben dem Heiligtum des Dionysos, war ein marmornes Theater entstanden, das das auserwählte Volk in sich aufnehmen konnte.
    So schloß sich unversehens in dem inneren Erleben des Dichters der Kreislauf der Jahrhunderte, indem er sich bis in die dunkeln Fernen der früheren Mysterien verlor. Jene Kunstform, nach der jetzt der Zwang seines Genius, geleitet durch die dunkeln Instinkte der menschlichen Menge, ihn drängte, sie erschien ihm in der Heiligkeit ihrer Anfänge. Der göttliche Schmerz Ariadnes, der wie ein melodischer Schrei aufstieg aus dem rasenden Bacchantenchor, ließ von neuem das Werk zuckend erbeben, das er in sich barg, formlos noch, aber schon lebensfähig. Weiter suchte er mit den Augen im Kreise der Gestirne die Muse mit der Stimme der Verkünderin. Da er sie nicht finden konnte, wendete er die Blicke wieder dem Wald von Instrumenten zu, aus dem die Wehklage stieg.
    Und jetzt trat zwischen den zierlichen Bogen, die in abwechselnder Bewegung über die Saiten strichen und sich wieder erhoben, dabei glänzend wie lange Plektren, die Sängerin hervor, aufrecht wie ein Blütenstengel, und wie ein Blütenstengel sich leise wiegend auf der zarten Harmonie. Die Jugend ihres geschmeidigen und kraftvollen Körpers schien durch das Gewebe ihres Kleides zu leuchten wie Flammen durch zartes, durchsichtiges Elfenbein. Die Bogen, die um ihre weißglänzende Erscheinung sich hoben und senkten, schienen die Töne der in ihr schlummernden Musik aus ihr herauszuziehen. Als ihre Lippen sich öffneten, kannte Stelio, noch ehe der Ton gebildet war, die Reinheit und Macht ihrer Stimme; gleichsam als ob er eine kristallene Statue vor Augen hätte, aus deren Innerem er den Strahl eines lebendigen Quelles aufsteigen sähe.
»Wie konntest du je
Mich weinen sehen ...«
     
    Die Melodie uralter Liebe und uralten Schmerzes stoß mit so reinem, so vollem Ausdruck von diesen Lippen, daß sie für die ins Ewige verschwebende Seele sich sofort in ein geheimnisvolles Glücksgefühl umsetzte. War das die göttliche Klage der Minostochter, der betrogenen, die vergebens von dem einsamen Strande von Naxos ihre Arme nach dem goldgelockten Gastfreund ausstreckt? Die Fabel versank, die Empfindung für die Zeit war gelöscht. Die ewige Liebe und der ewige Schmerz der Götter und Menschen sprachen aus dieser wundervollen Stimme. Der nutzlose Jammer über jede verlorne Freude, die tiefste Klage über alle flüchtigen Güter, das letzte Gebet zu jedem Segel, das sich auf weiten Meeren verliert, zu jeder Sonne, die sich hinter Bergen verbirgt, und das unerbittliche Sehnen, und das Versprechen des Todes – das alles tönte in dem einsamen, hehren Gesang; aber durch das Wunder der Kunst verklärt zu erhabener Wesenheit, die die Seele in sich aufnehmen konnte, ohne zu leiden. Die einzelnen Worte lösten sich auf, verloren jede Bedeutung, wandelten sich in tönende Offenbarungen grenzenloser Liebe und grenzenlosen Schmerzes. Wie ein Kreis, der sich, ob auch geschlossen, dennoch unaufhörlich weitet, mit dem Herzschlag des allgemeinen Lebens, so hatte die Melodie die schrankenlose Seele umsponnen, die sich nun mit ihr in unermeßlichem Glücke weitete. In der vollendeten Ruhe der Herbstnacht breitete sich der

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