Feuer (German Edition)
Eine Botschaft scheint es zu künden. Sehet den Schoß der symbolischen Frau! Den Keim einer Welt vermag er zu tragen.«
Der rauschende Beifall wurde übertönt von dem jugendlichen Jauchzen, das wie ein Orkan aufstieg zu ihm, der vor den unruhigen Augen eine so große Hoffnung aufblitzen ließ, zu ihm, der einen so leuchtenden Glauben an den verborgenen Genius der Rasse bewies, an die aufsteigende Kraft der von den Vätern überkommenen Ideale, an die souveräne Würde des Geistes, an die unzerstörbare Macht der Schönheit, an all die hohen Werte, dle die neueste Barbarei verachtet. Die Jünger drängte es zu dem Meister mit überströmender Dankbarkeit, mit ungestümer Liebe. Das flammende Wort hatte ihre Seelen gleich Fackeln entzündet, ihren Lebenssinn fast bis zum Fieber gesteigert. In jedem einzelnen lebte die Schöpfung Giorgiones wieder auf, der Jüngling mit den schönen weißen Federn, im Begriff, sich der unermeßlichen erworbenen Beute zu nähern; und in jedem von ihnen schien sich die Genußfähigkeit unendlich vervielfältigt zu haben. Ihr Schrei war ein so deutlicher Ausdruck ihres inneren Aufruhrs, daß der Befruchter bis ins Innerste davon erschüttert wurde, und eine Woge plötzlicher Traurigkeit ihn übermannte, als er an die Asche dieses flüchtigen Feuers dachte, dachte an das grausame Erwachen des kommenden Tages. Gegen wie schwere und unwürdige Hemmnisse mußte diese furchtbare Lebensgier ankämpfen, dieser leidenschaftliche Wille, dem eigenen Schicksal die Flügel der Siegesgöttin zu leihen und mit aller Seinskraft der höchsten Vollendung zuzustreben!
Aber die Nacht begünstigte die jugendliche Raserei. Alle die Träume von Herrschaft, Wollust und Ruhm, die Venedig in ihren marmornen Armen einst gewiegt und dann erstickt hatte, alle erstanden wieder aus den Grundmauern des Palastes, strömten ein durch die offenen Balkone, erzitterten wie ein wiedererstandenes Volk unter den gewaltigen Voluten dieses Deckenhimmels, der, reich und schwer, einem schwebenden Schatz glich. Die Kraft, die auf der weiten Wölbung und an den hohen Wänden die Muskulatur der dargestellten Götter, Könige und Helden schwellte, die Schönheit, die der Nacktheit der dargestellten Göttinnen und Königinnen und Dirnen wie sichtbare Musik entströmte, die menschliche Kraft und Schönheit, durch Jahrhunderte der Kunst geläutert, verbanden sich harmonisch zu einem einzigen Bild, das die Berauschten mit ihren wirklichen, lebendigen Augen vor sich zu sehen meinten, von dem neuen Dichter geschaffen.
Und ihren Rausch strömten sie aus in dem Jubelschrei zu ihm, der ihren verschmachtenden Lippen den Becher Weines geboten hatte. Alle sahen nunmehr die unverlöschliche Flamme durch den Wasserschleier. Und mancher sah sich schon dabei, die Blätter des Lorbeers zu brechen, um die Finger im Wohlgeruch zu baden; und mancher war schon entschlossen, das alte Schwert und das alte Diadem auf dem Grunde eines schweigenden Kanales zu finden.
Stelio Effrena war in den anstoßenden Räumen der Sammlung allein geblieben mit den Bildwerken; er fühlte einen Widerwillen gegen jede andere Berührung, er fühlte das Bedürfnis, sich zu sammeln und die ungewohnte Erregung zu besänftigen, in der sein ganzes Wesen sich gelöst und ergossen zu haben schien. Von den eben gesprochenen Worten war keine Spur in seinem Gedächtnis geblieben; von den eben geschauten Bildern kein Abglanz. Nur im Innersten seiner Seele brannte jene Feuergarbe weiter, die er zu Ehren des ersten Bonifazius entzündet und die er mit den eigenen unversehrbaren Händen gefaßt hatte, um sie der geliebten Frau zu reichen. Er dachte daran, wie in jenem Augenblick spontaner Hingabe die Frau sich abgewendet und wie er an Stelle des ausweichenden Blickes ihr Lächeln als Wegweiser gefunden hatte. Es war, als ob der Rausch im Augenblick des Verflüchtigens sich in ihm von neuem verdichten und die unbestimmte Gestalt jenes musikalischen Geschöpfes annehmen wolle; und als ob dieses nun, die Feuergarbe mit der Gebärde der Herrscherin tragend, auftauchte aus seiner inneren Bewegung, wie aus der unaufhörlichen Brandung eines sommerlichen Meeres. Und wie um dieses Bild zu verklären, drangen aus dem nahen Festsaal die ersten Töne von Benedetto Marcellos Symphonie zu ihm, deren fugierter Satz sofort einen Charakter großen Stiles verriet. Ein Gedanke, voll, klar und stark wie eine lebendige Persönlichkeit, entwickelte sich mit zunehmender Machtfülle. Und er erkannte in
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