Feuer (German Edition)
dieser olympischen Gabe, sein ganzer Neid auf diese gewaltigen, niemals ermüdenden, niemals Zweifelnden Bildner der Schönheit, sein ganzer Durst nach Glück und Ruhm offenbarten sich in dem Ausdruck, den er in die zuletzt gesprochenen Worte legte. Wieder lag die Seele der Vielheit im Banne des Dichters, widerspruchslos, gespannt und vibrierend, wie eine einzige aus tausend Saiten gewundene Saite, bei der jede Resonanz bis ins Unendliche weitervibrierte, die dunkle Empfindung regte sich in ihr, als trage sie eine unklare Wahrheit in ihrem Innern, die der Dichter plötzlich in der Gestalt einer frohen Botschaft enthüllte. Sie fühlte sich nicht mehr fremd an diesem geweihten Ort, in dem eines der glänzendsten Menschenschicksale so tiefe Spuren seines Glanzes hinterlassen hatte; sondern sie fühlte um sich und unter sich den vielhundertjährigen Molo in seinen tiefsten Grundmauern leben, als umwehten ihn die nicht mehr im Schatten der Vergangenheit reglosen Erinnerungen gleich den freien Lüften im bewegten Walde. Jetzt in dem Zauberschweigen, das die Wunder der Poesie und des Traumes ihr brachten, schien sie die unzerstörbaren Zeichen der ersten Generationen wieder in sich selbst aufzufinden, gleichsam ein vages Abbild der entlegenen Aszendenz, und ihr Recht auf eine alte Erbschaft zu erkennen, der man sie beraubt hatte: auf jene Erbschaft, die der Bote ihnen als noch unversehrt und wieder erreichbar ankündigte. Sie empfand die ungeduldige Angst dessen, der im Begriff steht, wieder in den Besitz eines verlorenen Gutes zu gelangen. Und in der durch die offenen Balkone hereinfunkelnden Nacht, während schon der rote Widerschein der feurigen Lohe sichtbar wurde, die das unten liegende Wasserbecken aufnehmen sollte, schien die Erwartung einer prädestinierten Wiederkehr zu schweben.
In dem klingenden Schweigen erreichte die einsame Stimme den Gipfel.
»In Freude schaffen! Das Kennzeichen der Gottheit! Der Geist auf seiner Hohe vermag nicht eine siegreichere Tat zu ersinnen. Die Worte selbst, die sie bezeichnen, tragen den Glanz der Morgenröte.
Und diese Künstler schaffen mit einem Mittel, das in sich selbst ein jubelndes Mysterium ist: mit der Farbe, die die Kraft des Stoffes scheint zur Lichtwerdung.
Und der neue Musiksinn, den sie von der Farbe haben, macht, daß ihre Schöpfung die engen Grenzen der symbolischen Gebilde sprengt und zur hohen Offenbarung einer unendlichen Harmonie wird.
Niemals erscheint uns der Ausspruch Lionardo da Vincis, dem die Wahrheit eines Tages mit ihren tausend geheimen Gesichten wie in einem Blitz sich erschloß, so treffend, als vor ihren großen symphonischen Bildern: – › Die Musik darf nicht anders genannt werden, denn Schwester der Malerei ‹ – Ihre Malerei ist nicht nur stumme Poesie, sie ist auch stumme Musik. Darum erscheinen uns die vornehmsten Forscher auserlesener Symbole, sie, die in die Reinheit der grüblerischen Stirnen die Merkmale eines inneren Weltalls legten, fast trocken, im Vergleich zu diesen großen unbewußten Musikern.
Wenn Bonifacio in der Parabel des reichen Epulonen auf einem Feuerton die mächtigste Farbenharmonie anstimmt, in der sich je die Wesenheit einer wollüstigen und stolzen Seele offenbarte, so fragen wir nichts nach dem blonden Herrn, der, den Tönen lauschend, zwischen den beiden wundervollen Courtisanen sitzt, deren Gesichter leuchten wie durchsichtige Bernsteinlampen, sondern das stoffliche Symbol übergehend geben wir uns mit Inbrunst der Zauberkraft hin, die diese tiefen Akkorde heraufbeschwört, in denen unser Geist heute das Vorgefühl zu empfinden scheint eines schönen schicksalschwangeren und herbstgoldenen Abends, der sich über einen Hafen breitet, still wie ein Becken duftenden Öles, in den in seltsamem Schweigen eine Galeere, von Oriflammen bewegt, einlenken wird wie ein Nachtfalter in den geäderten Kelch einer großen Blume.
Werden wir sie nicht in Wahrheit an einem glorreichen Abend mit unseren sterblichen Augen am Dogenpalast landen sehen?
Erscheint sie uns nicht wie an einem prophetischen Horizont in der Allegorie des Herbstes, die Tintoretto uns darbietet gleich einem erhabenen Bild, erschaffen aus unserm Traum von gestern?
Am Ufer sitzend, in Erwartung der Gottheit, empfängt Venetia den Ring aus der Hand des jungen, rebengeschmückten Gottes, der niederstieg zum Wasser, während darüber in der Luft die Schönheit schwebt, mit einem Sternenkranz den wunderbaren Bund zu krönen.
Sehet das Schiff in der Ferne!
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