Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
Mund, doch in meinem Krampf biss ich so hart zu, dass sich sein Blut mit meinem mischte.
Minuten später kam ich wieder zu mir und hörte die Stimme meiner Mutter, die mit Herrn Dr. Bailey telefonierte und verzweifelt eine Antwort suchte. Er bestand darauf, ich solle das Medikament weiter einnehmen und am Samstag zu einer Elektroenzephalografie (EEG) kommen, um die elektrischen Ströme meines Gehirns zu messen.
Zwei Tage später, am nächsten Freitag, kam Stephen nach Summit zu Besuch und schlug vor, wir sollten ausgehen und irgendwo etwas essen. Meine Familie hatte ihn über die Verschlechterung meines Verhaltens informiert und er war sehr auf der Hut, aber er wusste, dass es für mich wichtig war, einmal aus dem Haus zu kommen (wegen der drohenden Anfälle durfte ich nicht Auto fahren) und den Anschein eines erwachsenen Lebens aufrechtzuerhalten. Wir steuerten ein Irish Pub in Maplewood, New Jersey, an, wo ich noch nie gewesen war. Das Lokal war proppenvoll mit Familien und Teenagern. Die Leute drängelten sich um das Empfangspult, um einen Platz zu reservieren. Ich wusste sofort, dass mir dort zu viel los war. Sie starren mich alle an. Sie flüstern einander »Susannah, Susannah« zu. Ich konnte es hören. Meine Atmung wurde flacher, ich fing an zu schwitzen.
»Susannah, Susannah«, wiederholte Stephen. »Sie sagt, wir müssen etwa 40 Minuten warten. Möchtest du warten oder gehen?« Er machte eine Handbewegung zu der Empfangsdame, die mich neugierig ansah.
»Hmm, hmm.« Der alte Mann, der anscheinend ein Toupet trug, lache höhnisch. Die Empfangsdame zog ihre Augenbrauen hoch. »Hmmm.«
Stephen griff nach meiner Hand und ging mit mir aus dem Restaurant in die Freiheit der eiskalten Luft. Nun konnte ich wieder atmen. Stephen fuhr mit mir ins benachbarte Madison in ein schmuddeliges Lokal namens Poor Herbie’s, wo man nicht auf einen Platz warten musste. Die Bedienung, eine Frau Mitte 60 mit krausem, blond gebleichten Haar mit grauem Ansatz, stand am Tisch, die linke Hand in die Hüfte gestützt, und wartete auf unsere Bestellung. Ich starrte auf die Speisekarte.
»Sie nimmt das Chicken-Sandwich«, sagte Stephen, nachdem klar war, dass ich nicht in der Lage war, eine so bedeutsame Wahl zu treffen. »Und ich nehme ein Reuben 5 .«
Als das Essen kam, konnte ich mich nur auf das fettig glänzende French-Dressing konzentrieren, das aus Stephens Corned-Beef-Sandwich tropfte. Verzweifelt blickte ich auf mein eigenes Sandwich hinunter; nichts konnte mich dazu bringen, es an den Mund zu führen.
»Es ist zu … eklig«, sagte ich zu Stephen.
»Aber du hast es ja gar nicht probiert. Wenn du das nicht isst, gibt es zu Hause nur Gefilte Fisch und Hühnerleber«, scherzte er in dem Versuch, die Stimmung zu heben, indem er Allens eigenartige Essgewohnheiten erwähnte. Stephen aß sein Reuben-Sandwich auf, aber ich ließ das Hühnchen-Sandwich unangetastet.
Als wir zum Auto gingen, erfassten mich zwei widersprüchliche Verlangen: Entweder musste ich hier und jetzt mit Stephen Schluss machen oder ihm zum ersten Mal sagen, dass ich ihn liebte. Beides konnte geschehen, beide Impulse waren gleich stark.
»Stephen, ich muss mit dir reden.« Er sah mich eigentümlich an. Ich stotterte und wurde rot, bevor ich den Mut zum Sprechen fand, wobei ich noch immer nicht wusste, welche Worte nun aus meinem Mund kommen würden. Auch er rechnete in diesem Augenblick halb damit, dass ich mit ihm Schluss machen würde. »Es ist nur … Es ist nur … Ich liebe dich wirklich. Ich weiß nicht. Ich liebe dich.«
Zärtlich nahm er meine Hände in seine. »Ich liebe dich auch. Du solltest dich einfach entspannen.« Der erste Austausch dieser Worte erfolgte nicht so, wie wir beide erhofft hatten; es war nicht die Art Erinnerung, die man an die Enkelkinder weitergibt, aber nun war es heraus. Wir waren verliebt.
Später an diesem Abend bemerkte Stephen, dass ich angefangen hatte, pausenlos mit den Lippen zu schmatzen, als würde ich an einer Süßigkeit saugen. Ich leckte meine Lippen so oft, dass meine Mutter kleine Mengen Vaseline auftrug, um zu verhindern, dass die Lippen aufsprangen und zu bluten anfingen. Manchmal hörte ich mitten im Satz auf zu sprechen, starrte mehrere Minuten in die Luft, bevor ich das Gespräch wieder aufnahm. Während dieser Momente versetzte mich das paranoide Geschehen in einen kindlichen Zustand zurück. Diese Phasen waren für alle am nervtötendsten, denn ich war sogar schon als Kleinkind dickköpfig
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