Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
glaubte wahrscheinlich, die Zahl läge eher bei sechs als bei zwei Gläsern pro Abend.
»Irgendwelche Drogen?«
»Nein. Seit Jahren nicht«, antwortete ich und fügte rasch hinzu: »Ich habe mich über bipolare Störungen informiert und glaube wirklich, dass ich daran leide.«
Er lächelte. »Auf diesem Gebiet habe ich keinerlei Erfahrung, aber es ist durchaus eine Möglichkeit. Die Empfangssekretärin wird Sie zu einem sehr fähigen Psychiater überweisen, der mit dieser Art von Problemen mehr Erfahrung hat.«
»Großartig.«
»Okay. Ja, sonst sieht für mich alles normal aus. Ich stelle Ihnen ein Rezept für Keppra aus, ein Medikament gegen Krampfanfälle. Nehmen Sie das, dann sollte alles gut sein. Ich sehe Sie in zwei Wochen wieder«, sagte er und begleitete mich in den Wartebereich. »Ich werde mich auch kurz mit Ihrer Mutter unterhalten, wenn Sie nichts dagegen haben.« Er winkte sie in sein Sprechzimmer. Nachdem er die Türe geschlossen hatte, wandte er sich ihr zu.
»Ich denke, die Sache ist ganz einfach. Klar und einfach. Sie feiert zu viel, schläft nicht genügend und arbeitet zu viel. Sorgen Sie dafür, dass sie nichts trinkt und das Medikament Keppra einnimmt, das ich ihr verschrieben habe, und alles wird gut sein.«
Meine Mutter war von einer riesigen Erleichterung erfüllt. Es war genau die Antwort, die sie hören wollte.
4 White Anglo-Saxon Protestant, weiße angelsächsische Protestanten
Kapitel 10
Gemischte Episoden
A llen fuhr uns zu einem Stadthaus aus der Vorkriegszeit auf der Upper East Side, wo die Psychiaterin Sarah Levin wohnte und praktizierte. Meine Mutter und ich gingen zum Eingang und klingelten. Ein Falsettstimme wie von Carol Kane trällerte durch die Gegensprechanlage: »Kommen Sie herein und setzen Sie sich ins Wartezimmer. Ich bin gleich bei Ihnen.«
Mit den weißen Wänden, den Zeitschriften und Bücherregalen, die mit den Klassikern der Literatur bestückt waren, schien Dr. Levins Wartezimmer direkt aus einem Woody-Allen-Film zu stammen. Ich war begeistert, die Psychiaterin zu sehen. Ich wollte, dass sie mir ein für alle Mal meine bipolare Selbstdiagnose bestätigte, zudem hielt ich Besuche beim Psychiater in gewisser Weise für unterhaltsam. Nachdem eine frühere Beziehung zerbrochen war, hatte ich eine Zeit lang drei verschiedene Psychologen aufgesucht, um sie zu testen. Die Übung war ein wirklicher Genuss und davon inspiriert, dass ich zu viele Folgen der HBO-Sendung In Treatment – Der Therapeut gesehen hatte. Zuerst ging ich zu dem attraktiven jungen Homosexuellen, der sich wie mein bester Freund und Helfer benahm; anschließend zu einem unbedarften und dämlichen (aber preiswerten) Psychiater, der meine Versicherungskarte akzeptierte und mich sofort über das Verhältnis zu meinem Vater befragte; zum Schluss zu einem alten Griesgram, der versuchte, mich mit einem Kunststoffstab zu hypnotisieren.
»Kommen Sie herein«, sagte Dr. Levin, die in der Tür erschien. Ich lächelte: Sie sah auch aus wie Carol Kane. Sie bedeutete mir, ich solle mich auf den Lederstuhl setzen.
»Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, aber ich mache immer Fotos von meinen Patienten, um mir jedes Gesicht merken zu können«, sagte sie, während sie mit dem Kopf auf die Polaroidkamera deutete, die sie in Händen hielt. Ich posierte, wobei ich nicht sicher war, ob ich lächeln oder ernst bleiben sollte. Ich erinnerte mich, dass meine Freundin Zach aus der Arbeit mir einmal Jahre zuvor, als ich das erste Mal während der Michael-Devlin-Affäre live im Fernsehen war, sagte: »Lächle mit den Augen.« Das versuchte ich nun zu tun.
»Erzählen Sie mir, warum Sie hier sind«, forderte sie mich auf und putzte ihre Brille.
»Ich bin bipolar.«
»Entschuldigung«, antwortete sie. »Können Sie das noch mal sagen?«
»Ich bin bipolar.«
Sie nickte, als stimme sie mit mir überein. »Nehmen Sie irgendwelche Medikamente deswegen?«
»Nein, ich habe noch keine offizielle Diagnose. Aber ich weiß es. Ich meine, ich kenne mich besser als jeder andere, oder? Also sollte ich auch wissen, ob ich diese Störung habe. Und ich weiß, dass es so ist«, erklärte ich ausschweifend, wobei die Krankheit sich meinem Sprachmuster aufzwang.
Sie nickte wieder.
»Erzählen Sie mir, warum Sie meinen, bipolar zu sein.«
Als ich meine Begründung mit meiner seltsamen, sprunghaften Logik vortrug, notierte sie ihre Eindrücke auf zwei Seiten groß liniertem Papier: »Sagt, sie leide an einer bipolaren Störung.
Weitere Kostenlose Bücher