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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
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schlief für einen Augenblick ein.
    Als ich meine Augen wieder öffnete, hatten wir den Holland Tunnel verlassen und erreichten Chinatown mit den Fisch-Straßenverkäufern, Touristenschwärmen und Anbietern nachgemachter Designertaschen. Die gesamte schäbige Szene ekelte mich an.
    »Ich will einen Kaffee. Besorgt mir Kaffee. Jetzt. Ich habe Hunger. Gebt mir was zu essen«, verlangte ich unausstehlich.
    »Kannst du bitte warten, bis wir im oberen Stadtteil sind?«, bat meine Mutter.
    »Nein. Jetzt gleich.« Es erschien mir plötzlich das Wichtigste auf der Welt zu sein.
    Allen wendete scharf, wobei er beinahe ein parkendes Auto gerammt hätte, und fuhr auf dem West Broadway zum Square Diner, einem der letzten authentischen Speisewagen-Restaurants in New York City. Allen gelang es nicht, die Kindersicherung auszuschalten, daher kletterte ich über Stephen, um auf seiner Seite auszusteigen. Ich hoffte, verschwinden zu können, bevor mich jemand aufhalten könnte. Genau das vermutete Stephen jedoch und folgte mir. Da ich nicht entkommen konnte, schlenderte ich daher in das Diner, um einen Kaffee und ein Eier-Sandwich zu kaufen. Es war Sonntagvormittag, daher war die Warteschlange lang, aber ich wollte nicht warten. Kaltblütig drängelte ich mich an einer älteren Dame vorbei, als ich eine freie Sitzecke entdeckt hatte, und nahm dort Platz. In unausstehlicher Weise rief ich, ohne mich direkt an jemanden zu wenden: »Ich möchte Kaffee!«
    Stephen setzte sich auf den Platz neben mich. »Wir können hier nicht bleiben. Schaffst du es, dass wir wieder gehen?«
    Ich ignorierte ihn, schnippte mit den Fingern und tatsächlich kam eine Bedienung. »Einen Kaffee und ein Eier-Sandwich.«
    »Zum Mitnehmen«, fügte Stephen hinzu. Er schämte sich, berechtigerweise, für mein Benehmen. Ich konnte eigensinnig sein, aber noch nie hatte er mich unhöflich erlebt.
    Zum Glück hatte der Mann hinter der Theke alles mitbekommen und rief: »Habe verstanden.« Er wandte uns den Rücken zu und briet die Eier. Eine Minute später brachte er uns einen dampfenden Kaffeebecher und ein mit Käse belegtes Eier-Sandwich in einer braunen Papiertüte. Ich stolzierte aus dem Lokal. Der Pappbecher mit dem Kaffee war so heiß, dass er mir die Haut verbrannte, aber das war mir egal. Ich schaffte es, dass etwas geschah. Ich hatte Macht. Ich brauchte nur mit dem Finger zu schnippen, und die Leute sprangen. Wenn ich schon nicht verstand, warum ich mich so fühlte, wie ich mich fühlte, hatte ich doch wenigstens über die Leute um mich herum die Kontrolle. Im Auto warf ich das unangetastete Eier-Sandwich auf den Boden.
    »Ich dachte, du hast Hunger«, sagte Stephen.
    »Jetzt nicht mehr.«
    Mama und Allen tauschten auf den Vordersitzen einen Blick aus.
    Richtung Norden war wenig Verkehr, sodass wir schnell bei Dr. Bailey ankamen. Als ich die Praxis betrat, fühlte sich irgendetwas an diesem Ort anders an, merkwürdig, fremd. Ich kam mir vor wie Gonzo, der das Kasino betritt, nachdem er in dem Film Angst und Schrecken in Las Vegas Mescalin eingenommen hat. Nichts war so, wie es schien, und alles strotzte von apokalyptischer Bedeutung. Die anderen wartenden Patienten waren Karikaturen, unmenschlich; die Glasscheibe, die die Empfangsdame von uns trennte, erschien mir vollkommen barbarisch; der Miró lächelte wieder mit diesem verformten unnatürlichen Grinsen auf mich herab. Wir warteten. Es können ebenso gut Minuten wie mehrere Stunden gewesen sein, ich habe keine Vorstellung davon. Hier gab es keine Zeit. Endlich rief mich eine MTA mittleren Alters in ein Untersuchungszimmer, sie zog einen Rollwagen hinter sich her. Sie entnahm dem Wagen eine Kiste voller Elektroden, die sie alle 21 nach und nach auf meine Kopfhaut klebte; hierzu rieb sie zuerst über die trockene Haut und fixierte die Elektroden anschließend mit einer Art Kleber auf meinem Kopf. Sie schaltete die Lichter aus.
    »Entspannen Sie sich«, sagte sie. »Und halten Sie die Augen geschlossen, bis ich Ihnen sage, sie wieder zu öffnen. Atmen Sie tief ein und aus. Ein Atemzug alle zwei Sekunden.«
    Sie zählte für mich, eins, zwei, ausatmen; eins, zwei, ausatmen; eins, zwei, ausatmen. So ging es immer weiter. Mein Gesicht wurde rot und ich wurde benommen und schwindlig. Ich hörte sie mit irgendetwas im Zimmer herumfummeln, daher öffnete ich die Augen weit genug, um sie mit einem kleinen Lämpchen hantieren zu sehen.
    »Öffnen Sie jetzt die Augen und schauen Sie direkt in das Licht«, sagte sie.

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